Gekritzelt – Dieter Nuhr, „der Scheinkabarettist“

Kulturbeutel
Wenn man nicht alles gleich notiert. Gut 15 mal habe ich soeben die Schwelle zu meinem Wohnzimmer übertreten, um das Wort noch einmal zu hören, das heute morgen eine quietsche Diele sprach. Es war so ein absurdes Kompositum gewesen, das ich zu gern übermittelt hätte. Leider habe ich es vergessen und die Diele schweigt jetzt beharrlich still. Weil ich Begehrlichkeiten geweckt habe, die ich leider nicht erfüllen kann, erinnere ich ersatzweise an meinen Ikea-Wäschesack, der ebenfalls einmal gesprochen hat. Im Winter 2009 lag ich fiebrig im Bett und hörte mich gelegentlich seufzen. Mit einem Mal seufzte es ganz anders, und zwar aus der Ecke, in der mein Wäschesack stand. „Tschirch“ seufzte er laut und deutlich. „Tschirch“ ist meines Wissens kein deutsches Wort. Es gibt freilich einen bekannten deutschen Germanisten, der heißt Fritz Tschirch. Aber woher sollte mein Wäschesack deutsche Germanisten kennen? Also wertete ich die Bemerkung als kulturellen Bluff. Bisher hat nämlich noch kein Ikea-Wäsche-Aufbewahrungssack etwas Wesentliches zur Germanistik beigetragen.

Berti, der Klauer
Ich hatte schon verschiedentlich gelesen, dass Bertolt Brecht ein dreister literarischer Klauer gewesen sei, kannte aber kein Beispiel. Zufällig fand ich einen Beleg von Karl Corino, in Der Rabe – Magazin für jede Art von Literatur – Nummer 48. Es klagt an der österreichische Schriftsteller und Publizist Alexander Roda Roda (Text vergrößern durch Anklicken):

„Die Partei“-Chef Martin Sonneborn schießt hart gegen Dieter Nuhr“
Eine Überschrift aus „Der Westen.“ Clickbaiting (Clickköder) heißt diese Form der Überschrift, die mehr verheißt als der Text einlöst. Was hat Sonneborn gesagt? Konfrontiert mit Nuhrs Spruch über Kevin Kühnert: „pausbackiger Studienabbrecher“, fragt Sonneborn:

    „Der Scheinkabarettist Dieter Nuhr hat das gesagt? Na, das ist ja interessant.“

Was ist ein Scheinkabarettist? Erinnert an den Scheinriesen bei Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Je näher der Scheinriese kommt, desto kleiner wird er. Aus der Nähe hat er nichts mehr von einem Riesen. Dass Nuhr kein Kabarettist ist, sehe ich aber schon von weitem. Nein, er ist ein rechter Comedian, der sich an das Stammtischdenken ranwanzt, das Hohlkopfminister Andreas Scheuer unter „Menschenverstand“ versteht. Da wird auch schon mal gegen die Schwachen ausgeteilt. Oder kürzer: Scheinkabarettist = einer, der die Leute für Geld am Föttchen kitzelt.

„Jubelperser“
Sehr treffend fand ich diese Überschrift bei Telepolis, hätte nur das Fragezeichen weggelassen. (Klick auf die Grafik öffnet den Artikel). Ich habe mich aber gefragt, ob jüngere Generationen mit dem Begriff „Jubelperser“ etwas anfangen können. Er geht auf den Staatsbesuch des Schahs von Persien im Jahr 1967 zurück. 150 mitgereiste Geheimdienstmitarbeiter sollten, als jubelnde Demonstranten getarnt, den Schah vor Gegendemonstranten schützen und schlugen mit Dachlatten auf sie ein. Mehr dazu bei Wikipedia.

10 Kommentare zu “Gekritzelt – Dieter Nuhr, „der Scheinkabarettist“

  1. bei jubelperser dachte ich an einen elektronische teppich der beim betreten applaudiert:) herrn roda roda, muss ich mir noch „reinziehen“. fröhliche grüße aus der scheinbaren stadt. cd:)

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    • Recht hast du. Leider ist dieser Mann im Öffentlich-Rechtlichen TV omnipräsent. Ich gucke arglos „Kabarett aus Franken“, und wer wird da schon wieder gehypt? Dieter Nuhr. Schnell weggezappt. Ich finde, er darf und soll seinen Quark öffentlich verzapfen, aber nicht von meinen Zwangsgebühren. Bei unseren Journalisten beunruhigt mich vor allem das Rudelverhalten.

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  2. @Dreiste Klauer gibts auch in der Musik:
    Ralph Benatzky etwa benutzte für seine Operette “Im weißen Rößl“ zahlreiche Motive & Melodien anderer Komponisten, wofür ihm Robert Stolz den Titel “Ralph Benutzky“ verlieh.

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