Wer Fernsehen schaut, kann dem Elend des Sitzungskarnevals nicht entkommen. Kürzlich hörte ich in der Büttenrede eines Sitzungspräsidenten folgendes: Er ließ sich aus über die Nachteile des Wassers gegenüber dem Bier. Wasser sei ja mit Kolibakterien verseucht, die aber den Bierbrauprozess nicht überstehen. Darum trinke er niemals Wasser. „Wenn Sie mich mal in einem Biergarten hinter einem Glas Wasser sitzen sehen, dann bin ich entführt worden und will euch ein Zeichen geben.“ Was er über Bier und Wasser gesagt hatte, galt gewiss noch im Mittelalter. Heute ist’s ein Märchen, hier, um den ungehemmten Alkoholgenuss zu propagieren. Wir sollten eigentlich erwarten können, dass unsere fürsorgliche Bundesregierung nach einem solchen Witz wie bei den Zigarettenpackungen Schockbilder einblenden lässt, beispielsweise sich an einer Hausmauer abstützende junge Menschen, die sich grad die Seele aus dem Leib kotzen.
Sonst geht es in den Karnevalssitzungen aus dem Südwesten zu wie gehabt. Wo Witz fehlt, tanzen Riegen junger Mädchen in Gardeuniformen mit kurzen Röckchen, und fast all die automatenhaften tänzerischen Verrenkungen laufen darauf hinaus, dass die Mädchen ihr Höschen zeigen. Mir ist das schon im letzten Jahr störend aufgefallen, aber heuer finde ich es anachronistisch und angesichts der derzeit bekanntwerdenden Missbrauchsfälle in Kirche und Gesellschaft unvertretbar. Schlimmer als diese öffentlich-rechtlichen Darbietungen für Pädophile finde ich fast nur noch, wenn sich Büttenredner hemmungslos an im Saal anwesende Politiker ranwanzen, was man in Franken gut kann, weshalb sich kostümierte Politikerinnen und Politiker gern in der gutgelaunten Menge abfilmen lassen.
Schamloser treibens nur die Aachener Lackschuhkarnevalisten. Sie halten sich mit derlei Sperenzchen erst gar nicht auf, sondern loben gleich Elitenvertreter oder hochrangige Politiker und Politikerinnen auf die Bühne und hängen just denen einen Orden wider den tierischen Ernst an, mit denen normale Menschen lieber nicht gesehen werden möchten. Diesmal durfte sich die Ex-Weinkönigin und Bundesministerin Julia Klöckner über kostenlose Publicity freuen, vermutlich weil sie sich statt Tier- und Verbraucherschutz eins lacht. Genaues dazu kann ich beim besten Willen nichts sagen, denn wenn ich mir den Aachener Sitzungskarneval anschaue, muss ich leider brechen.
Den Schuss nicht gehört hat auch der gut gebuchte Karnevalsredner und Sänger Bernd Stelter.
Lies auch Tata, tata, tataaa! Karneval (1)
Dass er sie bittet mit dem Pfeifen aufzuhören finde ich mies. Wer austeilt muss auch einstecken können!
LikeGefällt 2 Personen
Witziger Weise habe ich in allen Zusammenschnitten das Pfeifen gar nicht gehört. Stelter muss sehr dünnhäutig sein, befindet sich freilich während des Auftritts auch in einer Stresssituation.
LikeGefällt 1 Person
Schlimm ist, dass die kleinen Tanzmariechen sehr gerne tanzen, besonders vor Publikum. Den Auftritt als Gruppe und die gleiche Kostümierung finden sie toll. Schade, dass man das Publikum nicht sortieren kann… An der Art der Darbietung ließe sich aber bestimmt etwas machen. Die Höschen – Zeigerei finde ich auch befremdlich und unnötig.
LikeGefällt 2 Personen
Zum Thema habe ich im letzten Jahr schon geschrieben, dabei den jetzt dikutierten Aspekt aber noch ausgelassen. https://trittenheim.wordpress.com/2018/02/13/teestuebchen-humorkritik-tata-tata-tataaa-karnevalssplitter/ Die Darbietungen zeigen durchweg große Präzision und akrobatisches Können, aber die Kostümierung und die Tanzfiguren müssten angepasst werden, um nicht das falsche Publikum anzulocken. Aus ähnlichen Gründen haben ja kürzlich große Konzerne die Werbung bei YouTube eingestellt, weil bei arglos ins Netz gestellten Kinderdarbietungen sich Pädophile in den Kommentaren ergötzten und sich in einschlägiger Weise austauschten.
LikeGefällt 2 Personen
Humor passt halt zu Deutschland … wie Menschenrechte zu USA …
LikeLike
Manchmal gibt es auch Humor in Deutschland, allerdings selten auf Karnevalsbühnen.
LikeGefällt 1 Person
Pingback: Höppemötzjer japanisch