Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Über Nachrichten aus hinteren Kammern

Trithemius
Gestern habe ich ganz tief in mir gewohnt.

Frau Nettesheim

Wo bitte?

Trithemius
In den hinteren Kammern, nah an den unerforschten Bereichen des eigenen Selbst.
Frau Nettesheim
Was soll das sein?

Trithemius
Wenn Sie sich das menschliche Gehirn vergegenwärtigen ist es doch wie ein Haus, das an den Fels angebaut ist. Die vorderen Zimmer zur Straße hin kriegen Licht von außen, sind hübsch möbliert, gut aufgeräumt und bei den meisten so zivilisiert, dass man auch Besucher einlassen könnte. Da hält man sich meistens auf, denkt und fühlt, wie es einem der Alltag befiehlt. Selten verirrt man sich in die hinteren Zimmer. Da ist wenig Licht, und man kann Überraschendes finden, auch Sachen, die man lieber nicht ans Licht bringen wollte. Die Kammern dahinter sind in den Fels getrieben wie die Grottenwohnungen in der Nähe von Valkenburg. Da unterwegs zu sein, ist nicht ungefährlich. Man kann sich verirren und so. Glücklicherweise sind die Höhlen hintern diesen Felskammern mit einer schweren Tür verschlossen.

Frau Nettesheim

Und da haben Sie sich gestern aufgehalten?

Trithemius
Ich saß in einem der letzten zivilisierten Zimmer. Da war mir egal, was draußen auf der Straße vor sich ging.

Frau Nettesheim

Sie hockten also im Hinterzimmer. Was hat Sie dahin verschlagen?

Trithemius
Abkehr von der Welt. Muss auch mal sein. Dass man nicht dauernd auf die Straße rennt und das Gedränge draußen durch seine Anwesenheit vergrößert. Und dann musste ich doch los, um ein paar Sachen zu erledigen. Und wissen Sie, was ich da gehört habe, Frau Nettesheim?

Frau Nettesheim

Woher denn?

Trithemius
Im Schreibwarenladen hielt eine alte Frau durch umständliche Verrichtungen den Verkehr auf, so dass sich die Kunden in dem kleinen Laden knubbelten. Sie hatte den knappen Raum noch mit ihrem Rollator zugestellt. Daran hing ihre Tasche. Als sie ihre Sachen wegpackte, mahnte sie sich selbst zur Eile und zwar mit den Worten: „Hau rein, is Tango!“ Den Spruch hatte ich schon ewig nicht gehört. Er stammt aus den hinteren Räumen unserer Sprache, da ganz tief, bevor sie in Höhlen übergeht.

Frau Nettesheim
[beiseite]
Er übertreibt mal wieder, nur um einen passenden Schluss zu finden.

7 Kommentare zu “Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim – Über Nachrichten aus hinteren Kammern

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