Wie sich die Zeiten geändert haben. Früher wurden Kinder gemacht, heute eher gebastelt. Mal schauen, ob mehr dran ist als ein Kalauer. Erhellend ist die Etymologie der beiden Verben. Machen ist fast so alt wie das Kindermachen selbst. Machen, engl. to make, niederld. maken hat noch die zweite hochdeutsche Lautverschiebung (zwischen 500 und 800 n.Chr.) mitgemacht, zu deren Indikatoren es gehört. Die Maken-machen Linie verläuft von Ost nach West und tritt unterhalb von Düsseldorf bei Benrath über den Rhein, weshalb sie auch Benrather Linie heißt. Südlich der Linie heißt es machen, nördlich maken.
Weil machen schon so alt ist, hat das Verb viel von seinem ursprünglichen Bedeutungsinhalt verloren. Machen bedeutete einst kneten, Lehm für den Hausbau kneten, streichen, pressen, abbilden. Bei der Wendung „Kinder machen“ müssen wir nicht an interessante sexuelle Praktiken denken. Ich erinnere an biblische Vorstellungen, dass Gott den ersten Menschen aus Lehm nach seinem Bilde (abgebildet) geknetet hat, eine Idee, die uns bei der unheimlichen Sagengestalt des Golems wieder begegnet.
Basteln hingegen ist als Wort recht jung. Es kommt aus den oberdeutschen Mundarten, taucht in der Schriftsprache erst im 18. Jahrhundert auf und ist vermutlich eine Verkleinerungsbildung zu Bast, also verwandt mit binden und bedeutet laut Duden „kleine Handarbeiten verrichten, ohne Handwerker zu sein.“
Sich ein Kind nach den eigenen Vorstellungen zu basteln, ist Ausdruck der menschlichen Hybris. Man kann sich ein gebasteltes Kind vorstellen als eines, das von seinen Eltern stümperhaft gebunden, also nicht gefestigt ist und im Sturm des Lebens auseinanderfällt. Außerdem ist es nach einem sonderbaren Formideal gestaltet, entweder abhängig von der Schichtzugehörigkeit oder von der religiösen Überzeugung. Aber es heißt natürlich nicht: Wir bleiben heute im Bett und machen ein Kind. An dem basteln wir so lange herum, bis es unseren Vorstellungen entspricht. Der Text ist reine Spekulation, ausgelöst durch ein ulkiges Plakat.
Aus Liebe Kinder machen. So, nicht anders sollte es sein. Doch wie oft ist es nur Leibesertüchtigung, was da hinter Spitzengardinchen geschieht? Wie oft ist die Art und Weise gewaltsam, in der ein Kind entsteht? Wie ein Kind entsteht, aus beiderseitiger Liebe, kann es werden, hat es den Start ins Leben leichter, ist es ein Wunschkind.
Kurioserweise benützte ich selbst einmal den Ausdruck ‚basteln‘ für Kindermachen. Weil ich vielleicht zu dieser Zeit keine ‚Liebe‘ mehr machte, mir aber so sehr eine Tochter wünschte wie unsere 90 Jahre alte Ur-Oma sich wieder ein kleines Mädchen wünschte. Da versprach ich ihr, eins zu basteln. Und als es dann endlich fertig und geboren war, hielt sie es mit ihren alten blinden Augen glatt für einen Jungen. Bei den Jüngsten sind die Unterschiede eben am geringsten🙂
Liebe Morgengrüße
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Du sprichst hier wahre Worte gelassen aus, liebe Fee. Zur eindeutigen Kennzeichnung dient ja der Farbkode Himmelblau und Rosa, aber konnte die Urgroßmutter vermutlich nicht sehen. Mich hat man noch „kleines Fräulein“ genannt, als ich schon vier Jahre war. Aus Ärger habe ich darauf bestanden, dass mir die langen blonden Locken abgeschnitten wurde.
Liebe Morgengrüße zurück (ich sollte endlich mal frühstücken)
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Locken abschneiden nützt garnix: die wachsen wieder. Meine roten Korkenzieher fielen trotz verzweifelten Wehrens der Entscheidung meiner kämm- und pflegemüden Mutter sowie der Schere eines schnöden Frisörs zum Opfer. Danach sagten alle jahrelang bloß noch Stefan zu mir….
Das prägt!
Meine Tochter trug an besagtem Tag ein so rosa Lächeln, dass ich staunte, dass Oma Heidi es gar nicht sehen konnte. Ich machte das Einfachste: sie musste Windeln wechseln. Danach war die Sache klar rosa entschieden und Oma war fortan selig wie ein Glückskeks. 🙂
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Mir kamen gleich die sogenannten Designer- Kinder in den Sinn. Wunschkinder, die durch künstliche Befruchtung und entsprechende genetische Vorauswahl geschaffen werden könnten. Ist zum Glück noch verboten und gehört auch eher in den professionellen Bereich. Obwohl? Disignerkind Bastelset: in 10 Schritten zum perfekten Kind. Wer weiß?
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Eine naheliegende Assoziation und nur für den Moment SF. Aber künstliche Befruchtung hoffentlich nicht in einer Bretterbude. 😉
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https://www.tagesschau.de/ausland/babys-geklont-101.html
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Die Schlagzeile von heute lautet. China: Forscher verkundet Geburt genmanipulierter Babys. Die gruselige Zukunft kommt oft schneller als geahnt.
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Noch sprechen alle von Tabubruch und dass die Folgen solcher Genmanipulation unwägbar seien. Aber die Wissenschaft wird auch diese Grenze weiter nach außen verlegen.
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Ich bin Mitglied einer rein weiblichen Gruppe von Hobby-Köchinnen. Schön ist, dass die meisten keine Lehrerinnen sind. Eine von ihnen lädt allerdings regelmäßig zum „Frauenkochen“ ein, was mir erhebliche Schmerzen verursacht.
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Bedrohlich, wenn man als Frau zum „Frauenkochen“ eingeladen wird 🙂 Das erinnert mich an die ehemalige Gattin von Schröder. Anfangs nannte sie sich selbstbewusst Doris Köpf-Schröder. Es hat eine Weile (ich meine ein Jahr) gedauert, bis sie den martialischen Imperativ entdeckt und zu Schröder-Köpf umgestellt hat.
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Eine schöne Assoziationskette. Designerkinder, die mir auch in den Sinn kamen, blende ich aus. Zu beängstigend.
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Auf Designerlkinder war ich gar nicht gekommen, hatte das also auch ausgeblendet. Ist ja auch gruslig.
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sehr schön, kinder machen ist eine gute sache und die/den partner/in aufzufordern: „komm wir machen ein kind!“ ist ein echter antörner. beim bastelt assoziiere ich auch eher strohstern artiges oder wenigstens windiges:) so richtig zufrieden war er ja nicht – gott, nach seinem menschengebastel oder -geknietsche, vermutlich zu viel laissez-faire. kinder basteln ist eine ergiebige assoziationsvorlage.
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Schön, wieder von dir zu hören. Seine ersten Modelle hat der biblische Gott dann ja auch mehrfach vernichtet. Ein Wunder, dass er heute zufrieden zu sein scheint. Dafür bastelt der Mensch an den Genen herum.
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leider nicht nur an den eigenen, da bleibe ich lieber oldschool und bevorzuge die matratzengymnastik^^. lg
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Der holländische Barockmaler Jan Vermeer van Delft hatte ein Dutzend Kinder, welche eins hässlicher als das andere waren. Als Erklärung, wie es ein Mann zuwege bringe, so unerhört schöne Bilder und zugleich dermaßen hässliche Kinder zu fabrizieren, soll er gesagt haben:
»Die Bilder mache ich tagsüber bei gutem Licht, die Kinder nachts im Finstern.«
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Hihi! Ein Segen für die Menschheit, dass wir heute elektrisches Licht haben.
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So etwas fand ich vor einiger Zeit auch in Bonn:
😉
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Hehe, danke für dein Fundstück!
Und alle konnten zusehen?
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Ich habe nur ganz besorgt nach dem Brennofen geschaut…😟
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Ohne Machbarkeitsstudie bastelt heute doch kein verantwortungsvolles potenzielles Elternpaar an der Weitergabe seiner Gene.
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Ich gebe bei Google ein „Gene der Eltern“ und Google ergänzt „…passen nicht zusammen.“ Das kann doch nur eine Erkenntnis aus einer „Machbarkeitsstudie“ sein.
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In Norddeutschland werden auch irgendwie „Friesen-Kids“ hergestellt, gebastelt oder getöpfert man weiß es nicht, letztes Bild:
Da ich selbst ein „Friesen-Kid“ bin, frage ich mich, welches andere Kind mich hergestellt hat.;-)
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Danke für den Zugriff auf diese herrliche Fotostrecke . „Hier entstehen die Friesen-Kids“ klingt für mich nach „ohne menschliches Zutun.“ Es ist irgendwie gruslig. Deine Frage ließ mich sehr schmunzeln.
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Eine Hütten-Aufschrift „Kinder machen“ hätte wohl ebenfalls zur Verwirrung des Publikums beigetragen …
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„Hier nur groß“
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Darf ich bei „Kneten“ doch an sexuelle Praktiken denken, obwohl ich nicht muss? 😉
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Selbstverständlich. Wenns beiden Freude macht und Lust bereitet, warum nicht.
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Kindermachen ist ja gar nicht mal so leicht, zieht sich bei vielen über Monate. Man bastelt also eine Weile, bis es fertig ist 😉 Vielleicht war man früher selbstbewusster? „Komm, wir machen ein Kind!“ – Zack! Schwanger! 😀 Bei Basteln klingt hingegen an: das wird jetzt eine Weile dauern, bis wir uns über zwei Streifen auf dem Test freuen dürfen.
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Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als es ohne erklärte Absicht einfach passierte. Das Kinderbasteln-Schild habe ich übrigens 2017 fotografiert. In diesem Jahr war es verschwunden.
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In Zeiten von Emfängnis-Verhütung passiert es halt nicht mehr „einfach so“. Da entscheidet man sich dafür – wobei es natürlich auch noch Überraschungskinder gibt.
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