Die Erschaffung der Welt in zwei Fassungen

Ein Gedicht in landkölscher Mundart vom Dürener Heimatdichter Josef Schregel, von mir vor gut 20 Jahren abgeschrieben aus der Kirchspieler Dorfchronik. Die Übertragung ins Hochdeutsche ist nicht wörtlich, denn ich musste manches verändern, um Versmaß und Endreim zu erhalten. (Verbesserungsvorschläge willkommen). Das Gedicht spiegelt die Weise, in der noch bis in die 1960-er Jahre den Kindern auf dem Land der Glaube beigebogen wurde, wie ich es selbst noch erlebt habe. Schulische Körperstrafen sind in der Bundesrepublik erst seit 1973 gesetzlich verboten.

Die Erschaffung der Welt

Zom Fritzsche sproch der Lihre:
– Dä Jong wor fürchbar domm-
„Wer hät de Welt erschaffe?
Flöck! … sprääch! ..,. No, beß de stomm?

Ich sehn, du fuule Bengel, häß wedde nex geliehrt!
Dä Hemmel mag et wesse, wat späder us dir wied!
Mir schenk, et beste Meddel, wat eenzig bei dir notz,
Eß, datt ich dir gehürig ens spanne jetz de Botz!“

Dä Lihre nohm dat Fritzsche,
Hä schlog sich en de Hetz:
„Wer hät de Welt erschaffe?
Na, Lömmel! Werd et jetz?!“
„Auwih! Auwih! Här Lire,
Hahlt en, hürt op met schlohn!
Ihr könnt et werklich glöve,
Ich han et net gedohn!“

Die Erschaffung der Welt (Hochdeutsch)

Zum Fritzchen sprach der Lehrer
– der Fritz war furchtbar dumm –
Wer hat die Welt erschaffen
Flugs! … sprich! … Nun, bist du stumm?

Ich seh, du fauler Bengel,
Du hast es nicht mit Lernen!
Was einmal aus dir werden soll,
Das steht noch in den Sternen!
Es gibt nur noch ein Mittel,
Dir etwas beizubringen:
Auf deinem Hosenboden
Den Zeigestock zu schwingen!

Der Lehrer nahm sich Fritzchen,
Er schlug es mit Gewalt:
„Wer hat die Welt erschaffen?
Na, Lümmel! Wird es bald?!“
„Auweh, auweh, Herr Lehrer,
Ihr schlagt mich auf Verdacht!
Sie könnens wirklich glauben,
Ich hab es nicht gemacht.“

16 Kommentare zu “Die Erschaffung der Welt in zwei Fassungen

  1. Jetzt überlege ich gerade, ob in dem Schwank nicht vielleicht die Pointe stecken möge: der dumme Fritze kennt freilich die Bedeutung des Verbs erschaffen nicht und vermeint nun, der Lehrer frage etwa, wer die Welt verschaffen habe  – was im Rheinfränkischen (falls ich nicht irre?) auch bedeutet, etwas verlegen, verschleppen, verschlampen. Also beteuert er, es nicht getan zu haben. Könnte die Interpretation zutreffen?

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    • Interessante Überlegung. Freilich gibt es „verschaffen“ in dieser Wortbedeutung nicht im Ripuarischen, wozu das Dürener Platt gehört. Es unterscheidet sich kaum vom Kölschen. Der Rheinfränkische Sprachraum liegt viel weiter südlich, auf der Höhe von Mainz und rüber nach Osten.

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      • Einen Schwank mit ähnlichem Setup gibts übrigens auch im Österreichischen:

        Der kleine Fritz kommt von der Schule heim und beklagt sich, er habe vom Lehrer in der Religionsstunde eine Watschen gekriegt, weil er sagte: »Der Herrgott ist unser Seicherl.« – Darauf schmiert ihm die Mutter gleich noch eine und schilt ihn: »Der Herrgott ist doch kein Seicherl, der ist unser Schöpfer!« – Darauf Fritz: »Ich hab ja gewusst, dass er bei uns daheim in der Küche hängt.«
        _______
        (Seicherl, bairisch/österreichisch: Schwächling, wehleidiger Weichling; aber auch: kleines Küchensieb)
        (Schöpfer = Schöpflöffel)

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  2. Ein schönes Gedicht in Rheydter Platt, und das inhaltlich eher eine gegenteilige „Erziehungsmaßnahme“ vermittelt:

    E Schellemännke an de Düer,
    Dat woar noch völl te kleen,
    Et hov sech op sin Pütterkes
    On sprong mött beds de Been.

    Do koem tom Glöck Pastur vörbei:
    „Was willst du, kleiner Mann?
    Die Ärmchen sind noch etwas kurz,
    Paß auf, nun kannst du dran!“

    On holp em wacker en de Höchd,
    Dä Jong hat jau gedröck,
    Dann sät dä kleene Botzeknopp:
    „Nu schwind mar öm de Eck!“

    (Aus „Äfe Platt för montre Lü“ von Johannes Heck)

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