Freitagabend bei Filipe d’accord im Garten erzählte Herr Putzig, er sei noch mal am „Strandleben“ gewesen. Das ist eine mit Sand aufgeschüttete Halbinsel am Zusammenfluss von Leine und Ihme, wo er und Leisetöne während ihres Studiums hinter der Theke der Strandbar die Kunden im von Putzig sogenannten „Theken-Capoeira“ bedient hatten, das heißt, sie wetteiferten in ökonomischen, aber tänzerisch flüssigen Bewegungsabläufen, beispielsweise im Vorbeugen eine dem Kühlschrank entnommene Flasche zu entkorken und gleichzeitig rücklings mit dem Fuß die Kühlschranktür zu schließen.
Die Zeiten des Theken-Capoeira sind vorbei. Die neue Thekencrew weiß nicht mal mehr von Herrn Putzig, was sich ihm darin zeigte, dass ein bedienendes Mädel ihm das Pfandmarkensystem erklärt habe, als er sich eine Flasche Jever holte. Da wurde mir ganz schwermütig bewusst, dass auch das schönste Capoeira nicht den Mahlstrom der Zeit aufhalten kann. Ich bin dann auch bald nach Hause gegangen.
Mahlstrom der Zeit… zum Glück vergesse ich so viel, dass mir nicht mal mehr auffällt, was alles schon vergangen ist. Und dann, bei einer anderen Gelegenheit, bin ich dem Vergangenen so nah, dass es eigentlich nicht vergangen sein kann, nicht für mich.
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Vergessen ist ein Glück. Hab leider zuviel aufgeschrieben und mir die Gnade versaut.
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Ich vergesse ja sogar, was ich geschrieben habe.
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Frag mich mal. Irgendein WordPress-Algorithmus erinnert sich für mich mit, verlinkt z. B. unter diesem Text einen, der thematisch sehr ähnlich ist, den ich aber vergessen hatte. Das ist mir früher nicht passiert, aber vielleicht durch die schiere Menge der Texte bedingt.
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Theken-Capoeira…eine gelungene Bezeichnung 🙂
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Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit findest du immer das Positive, liebe Mitzi.
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Muss ja 😉
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Thekentänzer habe ich auch schon öfter gesehen, einmal in der Buchausgabe einer Bibliothek, einmal in einer Cocktailbar. Vielleicht verleitet die überschaubare Anzahl aufeinanderfolgender Tätigkeiten besonders musische Menschen dazu, sie in einen harmonischen Fluß zu bringen. Es war faszienierend, der Mixerin in der Cocktailbar zuzusehen, mit welcher Eleganz und ohne Hilfe von Meßbechern sie den „Mai Thai“ für meine Begleiterin zusammenmixte. Die war dann allerdings von diesem einen Getränk soo betrunken, daß sie nicht mehr allein nach Hause gehen konnte. Tja, man kann nicht alles haben.
Mit anderen Worten: Solange es Thekenpersonal gibt, wird das Theken-Capoeira vermutlich nie ganz aussterben. Das Dir zum Trost.
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Danke für deinen Bericht. Ich trauerte dem speziellen Thekenpersonal nach, vielmehr dem, dass die Zeit auch schon darüber gegangen war. Gerade von Putzig habe ich einiges an Frozzelei über mein Alter ertragen müssen. Ihn selbst vom Mahlstrom der Zeit an den Rand gespült zu erleben, hat mir keine Genugtuung bereitet, sondern mich betrübt.
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Ach so – Du meinst es ernst. Der Thekentänzer in der Bibliothek ist letztes Jahr gestorben, er war erst 62 Jahre alt. Der Mahlstrom der Zeit, der Lauf der Dinge, nimmt mich mit zunehmendem Alter auch mehr mit als früher, obwohl sich eigentlich nichts geändert hat.
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