Teestübchen Briefaktion (4) – Verwirrendes aus Wien

Zum 31. Mai 2018 werden die Server der österreichischen Blog-Plattform twoday.net abgeschaltet werden. Damit wird das zweite „Teppichhaus Trithemius“ im Orkus des Vergessens verschwinden. Ich war mit dem Teppichhaus im April 2007 von der Plattform Blog.de zu twoday.net verzogen, weil bei Blog.de einige Trolle die Atmosphäre vergifteten. Bei twoday fühlte ich mich eine Weile wohl. Es herrschte ein feinerer Umgangston, man siezte sich, es waren da überwiegend intelligente Leute unterwegs, und ich lernte einige Bloggerinnen und Blogger aus Österreich kennen, so den Kollegen Noemix und Kollegin lamamma. Weil ich den Speicherplatz bei twoday bald ausgereizt hatte, musste ich 2010 erneut umziehen zu Trithemius.de, betrieb das Twoday-Teppichhaus nur noch als Dublette.
Aus Wien sandte mir lamamma einen Brief. Ich schaute zufällig aus dem Fenster in den heftigen Regen hinaus, als ich den Briefträger mit dem Umschlag in der Hand sah. Der wird hübsch nass werden, dachte ich noch und hatte ganz egoistisch nur meinen Brief im Sinn. Aber Hallo?! Wenn Postboten in den Regen geraten, ist es zwar unschön für sie, aber sie verwischen nicht, und es droht auch nicht, ihr Inneres zu verlaufen. Jedenfalls fand ich einen durchnässten Brief im Briefkasten, und ich musste ihn erst einmal auf der Heizung trocknen. Die Gestaltung des großen Umschlags ist recht schlicht auf meine Adresse und eine Briefmarke reduziert. Alles Weitere stammt von der Österreichischen Post AG, nämlich der handschriftliche Zusatz „Deutschland“ und der Poststempel. Der zeigt erfreulicher Weise den Herkunftsort „Wien“ und nicht nur wie bei den popeligen Stempeln der Deutschen Post AG die weitgehend sinnfreie Angabe „Briefzentrum“. Der Umschlag in seiner Schlichtheit ist also gestaltet von lamamma, der österreichischen Post, Hannoverschem Regen, einem durchnässten Postboten und meiner Heizung.

Aber es geht natürlich um seinen Inhalt, der mich schier zur Verzweiflung brachte. Es lag nicht an der mitgeschickten Portospende in Form eines Fünfeuroscheins. Im Namen aller herzlichen Dank dafür! Nein, der zweiseitige Brief bestand aus Schnipseln. Ich habe sie erst einmal auf dem Tisch ausgebreitet und bin eine Weile drum herum geschlichen, was natürlich keine Strategie des Puzzlens ist. Eine „Betriebsanleitung“ verriet immerhin, dass es sich um zwei zerschnittene DIN-A4-Blätter handelt. Lob dem Ingenieur Walter Porstmann, der Anfang des 20. Jahrhunderts die DIN-Maße des Papiers festgelegt hat.
So konnte ich wenigsten ein A4-Blatt als Matrix zugrundelegen. „Ich liebe Rätsel“ schreibt lamamma auf einem Puzzle-Zettel. Das trifft sich gut, dachte ich, denn ich hasse Rätsel, leider. Die übliche Puzzle-Strategie, Randstücke und solche gleicher Farbe zu suchen, funktionierte nicht. Nach gefühlten zwei Tagen hatte ich Blatt eins fertig. Der obligatorische Witz: Zwei Mantafahrer (Mantafahrer galten einst als die Protypen der Dummen), also zwei Mantafahrer treffen sich. Sagt der eine: „Du, Manni, ich habe dich ja schon Jahre nicht gesehen. Wo warst du denn die ganze Zeit?“ „Ich habe ein Puzzle gemacht.“ „Aber doch nicht so lange?“ „Doch, ich war schon schnell. Auf der Packung stand drei bis fünf Jahre.“

Als ich einmal bei Freund Filipe d’Accord, Tina und Töchterlein zum Mittagessen eingeladen war, klagte ich mein Puzzle-Leid. Tina bot an, Blatt zwei zu puzzlen, und hat es in nur 15 Minuten hingekriegt, obwohl ein Teil sogar aufs Gesicht gedreht nur passte. Kompliment und lieben Dank! Kompliment auch an la mamma für dieses ausgefuchste Puzzle.

Einmal fragte mich in Aachen ein Radsportler aus Holland nach dem Weg in die Eifel, denn er sollte für seinen Verein eine Strecke erkunden. Da ich selbst mit dem Rennrad unterwegs war, bot ich an, ihm eine schöne Strecke zu zeigen. Nachdem wir einen anstrengenden Anstieg ins Hohe Venn genommen hatten, schüttelte er mir zum Abschied die Hand und sagte: „Vielen Dank! Du hast mich viel Mühe gemacht!“ Ähnliches möchte ich der Blogfreundin la mamma zurufen: „Liebe Beate! Herzlichen Dank für die Mühe!“ und Tina: „Herzlichen Dank, dass du mir eine Mühe erspart hast!“ (Grafiken und Gif-Animation: JvdL)

18 Kommentare zu “Teestübchen Briefaktion (4) – Verwirrendes aus Wien

    • Die Gefahr hat nie bestanden. Ein Kollege mit Hörgerät, erzählte mal in seiner Klasse, dass es immer übersteuert, wenn jemand pfeift, mit dem Ergebnis, dass sich ein paar böse Buben den Spaß daraus gemacht haben, auf den Gängen zu pfeifen, wann immer er vorbeikam. Will sagen, man darf sich vor Schülern keine Blöße geben. Drum habe ich nie gesagt, dass ich Rätsel hasse.

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  1. Das hatte ich gar nicht mitbekommen, dass twoday.net sich verabschiedet. Im Mai 2008 hatte ich mir (übrigens aus ähnlichen Gründen wie Du) dort ein Blog eingerichtet aber nicht ernsthaft in Betrieb genommen (nur drei Einträge). Erst vor ein paar Tagen dachte ich über die Möglichkeit nach, mich dorthin zu verziehen. Mich packt halt immer wieder mal die Wut über all diese Giganten, die alles schlucken und jede Konkurrenz verdrängen. Aber man ist ja selbst schuld und fördert durch das eigene Verhalten diese Entwicklung.

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    • Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, das Teestübchen beim „Giganten“ wordpress angelegt zu haben, nachdem mit Blog.de drei meiner Blogs untergegangen sind und mit Twoday ein viertes verschwinden wird. Jesmal versinkt da ein Stück digitaler Kultur, nicht nur mit den Beiträgen, sondern auch mit dem Netzwerk und den daraus stammenden Kommentaren und Verlinkungen. Das hoffe ich hier nicht nochmals erleben zu müssen.

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      • Ja, lieber Jules, aus praktischen Erwägungen stimme ich Dir zu und sage mir dann auch, dass man hier deutlich mehr Leser finden kann, wenn man sich ein bisschen darum bemüht. Grundsätzlich aber ist die Duopolstellung von Google und WordPress für Blogs kritisch zu sehen und wir tappen in die Falle von Annehmlichkeiten und scheinbaren Sicherheiten.

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        • Das ist schon wahr, liebe Christa. Indem ich Trithemius.de auf einer eigenen Seite gehostet habe, bin ich freilich nicht mehr so ausgeliefert. Nur die tolle Community bei WP fehlt mir da.
          Und Verlagsautoren sind auch nicht besser dran, wenn ihr Hausverlag von einem Großen geschluckt wird. Das Problem unserer Zeit.

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  2. Lamamma, so vermute ich, hat aufgezeigt, dass sie in der Lage ist, in sehr verschiedenen Handschriften zu schreiben. Vielleicht geht es auch Vielen so. Während der Arbeit unter Zeitdruck und mit einem ollen Reklamekugelschreiber wird die Schrift völlig anders ausfallen, als wenn man mit Muße und einem Schreibgerät, das man besonders gern mag einen Brief an jemanden schreibt, den man gaaaanz besonders gern mag.
    Aber Lamamma zeigt auch verschiedene Schriftarten, und wenn ich das richtig deute, sogar die ihres Vaters. Vermutlich als Schülerin gut geübt bei der Abfassung von Entshuldigungsschreiben an die Schule:
    „Beate konnte gestern nicht zur Schule kommen, weil ihr übel war.
    Hochachtungsvoll! Mein Vater“
    😉

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  3. Noch eine tolle, künstlerische Arbeit.

    Da wir Ösis bekanntlich als langsam gelten, bevorzugen wir, durch Zerschneiden eines Blattes ein Puzzle zu erzeugen, anstatt es in jahrelanger, mühevoller Arbeit zusammenzusetzen …

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  4. Pingback: Zum Abschluss der Teestübchen Briefaktion

  5. ich bin so im stress, dass ich deinen beitrag jetzt erst gesehen habe! zu meiner entschuldigung: mir ist nix besseres eingefallen, ich hab mir eh gedacht, dass das ein bisschen gemein ist. aber dass du rätsel hasst, konnte ich nun auch nicht ahnen;-) immerhin – du hast es souverän gelöst!

    PS: für mich ist wordpress noch eher sehr rätselhaft. mal sehen, wann ich dazu komme, da etwas sinnvolles zusammen zu bringen.

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  6. lach, ich muss noch was zum schlichten umschlag sagen: wir haben im haus – dh in der firma eine poststelle, das ist äußerst bequem, wenn man grad keine briefmarken zur hand hat (also praktisch immer) und es weit und breit kaum mehr postämter oder briefkästen mehr gibt. es hätte aber wohl ein wenig seltsam gewirkt, wenn ich da eine auffälligere gestaltung unter die ausgangspost geschummelt hätte … gut, dass grad mein brief in den regen gekommen ist;-)

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