Teestübchen Humorkritik – Tata, tata, tataaa! Karneval

Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere Gelassenheit zog gerade als letzte die Tür hinter sich zu. Es war wie der Auszug der Israeliten aus Ägypten. Ich habe das Pack aber nicht verfolgt. Man weiß ja, wie das endet. Mittwochs wird bei uns im Haus die Treppe geputzt. Ich habe keine Lust mit einem Eimer Putzwasser kaltgestellt zu werden, während die Ironie, der Nonsens, die Albernheit und die heitere Gelassenheit quasi trockenen Fußes in den Keller talpen. Der heiteren Gelassenheit habe ich noch hinterher gerufen: „Was soll der Quatsch? Warum schließt du dich diesen Weicheiern an?!“

Ich gebe zu, es gibt in dieser Welt nicht mehr viel zu lachen. Aber das war Fahnenflucht. Ach, wie schön die Zeit, als ich an jedem Abend bekifft war und mich köstlich amüsieren konnte über alles im TV, wenn ich einfach den Ton weggeschaltet habe. Nun trinke ich seit Neujahr nicht mal mehr Alkohol und kann seit Wochen das abendliche TV-Programm kaum noch ertragen. Dabei meide ich die Privatsender grundsätzlich. Es geht um das öffentlich-rechtliche Angebot. Sehenswertes wird immer seltener, wenn man nicht auf Tierfilme, Quiz und Talk, Kochsendungen, Produktvergleiche oder die Flut der Krimiserien steht. In den letzten Wochen war den Karnevals-Sitzungen nicht zu entkommen, die, wenn man wie ich im protestantischen Hannover lebt, Berichte aus einer Parallelwelt sind. Ich beschloss, dem mit ethnologischem Interesse zu folgen, denn Karneval ist durchaus ein kultureller Faktor in unserer Gesellschaft, das müssen auch die Bewohner karnevalsbefreiter Zonen zugeben.

Ich habe mich durch die dritten Programme die Rheinschiene rauf und runter gezappt, nichts notiert, sondern schildere nur meine Eindrücke. Auf der Südschiene SWR, HR und Saarländischer Rundfunk sind die Witze flach, die tänzerischen Darbietungen dagegen dominant, was der plausiblen Logik folgt: Wenn wir schon zu bräsig sind, gute Witze zu machen, sollen die Mädels wenigstens gut tanzen. Fette Karnvalisten stecken ihre Töchter in hübsche Gardeunifomen und lassen sie in Formation über die Bühne hüpfen, wie dressierte Ponys marschieren, herumwirbeln, in den Spagat springen, dass es einen in der Leiste zerrt allein beim Zuschauen. Die Perfektion des Formationstanzes lässt harte, zeitaufwändige Übung vermuten, dass den Mädels kaum Zeit bleibt sich zu fragen, in welche wahnwitzige Mühle sie da geraten sind und wozu überhaupt.

Eine gestandene Frau erzählte in ihrer Büttenrede, wie ihr nackter Mann vor dem Badspiegel posiert und sie fragt: „Sehe ich nicht aus wie ein griechischer Gott?“ Achtung der Gag: „Was glauben Sie, wie lange ich gebraucht habe, ihm klarzumachen, dass Buddha kein griechischer Gott war?“ Tataaa! Das kam aus der Gegend von Mainz. Woanders stand eine etwa 14-jährige Nachwuchsrednerin auf der Bühne und erzählte denselben Witz, nur dass der fette, nackte Mann im Bad ihr Vater war. Dass niemandem in der Redaktion aufgefallen war, wie verfänglich aus dem Mund einer 14-jährigen ist, wenn ihr nackter Vater im Bad vor ihr posiert, lässt ahnen, wer diese Sitzung übertrug: der Saarländische Rundfunk.

Das Widerlichste aber kam aus einer anderen Randzone, dem Grenzort Aachen. Niemand wanzt sich derart schamlos an die herrschenden Eliten ran wie die Lackschuhkarnevalisten vom Aachener Karnevalsverein (AKV) bei der „Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst“, wo Aachens High Society fade Witze vornehmlich über Schwächere bejubelt wie den einen, vermutlich aus einer Vorjahrssendung, den ich beim Vorbeizappen auffing. Der Möchtegernkabarettist Ingo Appelt machte sich über Flüchtlinge lustig. Gegen deren Treck über die Balkanroute solle man an der Grenze ein Schild aufstellen:“Wir sind umgezogen“, und dann stimmte er das Karnevalslied der Kölner Gruppe „Die Höhner“ an: „Die Karawane zieht weiter…“ Herrgott, hatten die besseren Herrschaften einen Spass.

Derlei Töne hört man in Düsseldorf nicht, allenfalls die Bestätigung dessen, was Ambrose Bierce in Des Teufels Wörterbuch schreibt:

„Eozän, das: Erste der drei großen Perioden, in die Geologen das Alter der Welt unterteilt haben. Aus dem Eozän stammen die meisten bekannten Witze“,

wie auch der von der schwerhörigen Fee, die im Keller einer Kneipe hockt und Wünsche erfüllt, aber immer falsch versteht, so dass der Wirt in seiner Kneipe einen 20 Zentimeter langen Schimmel hat. Früher wurde der Gag erzählt mit einem 20 Zentimeter langen Mario Simmel, der über die Theke lief, aber der professionelle Witzerzähler ging wohl davon aus, dass man sich in Düsseldorf nichts mehr unter Simmel vorstellen kann.

Was auch immer gut kommt, sind Veganerwitze, wie ich einen vom blond gewordenen Dauergrinsen Guido Cantz hörte: Ab und zu gönne er sich einen Gyros-Teller, und wie ihm vorher das Wasser im Munde zusammenläuft, wenn das krosse Fleisch mit dem Motormesser vom Spieß abgesäbelt würde, frage er sich, ob Veganer das auch hätten, wenn sie mit der Motorschere die Hecke stutzen. Cantz kann man im Kölner Karneval nicht entgehen, wo er wie ein Conferencier mit dem Publikum interagiert, gerne mit anwesenden Politikern wie dem NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Laschet durfte sich königlich amüsieren, als Cantz von jungen Politikern schwärmte wie dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, der so jung sei, dass, als er auf Staatsbesuch bei Angela Merkel war, ihr die Milch eingeschossen sei. Da hielt sich Laschet kichernd den Bauch, verlor die gute Laune aber, als ein politischer Redner namens Rumpelstilzchen heftig über Alexander Gauland von der AfD herzog. Schließlich war der mal CDU-Mitglied. Als Rumpelstilzchen dann auch noch die Kölner Spitzenpolitiker schalt, von Problemen nie was zu wissen, aber bei der Prinzenproklamation in der ersten Reihe sitzen zu wollen, hat der brave Regisseur die Reaktion der anwesenden Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker lieber erst gar nicht gezeigt.

Es gibt noch das Anarcho-Element im traditionellen Karneval, aber man braucht ein dickes Fell, um es zu entdecken. Selbst der Alternative Karneval hat seine Ekelnote, so die Duftmarke der Caroline Kebekus. In ihrer Karnevalssitzung „Deine Sitzung“ wird hemmungslos das Mett verehrt mit dem ritualisierten Ruf: „Backeen! … Hackeen! … Mett!“ Hier fehlte unbedingt der Sicherheitshinweis: Nach dem Toilettengang bekennender Rohfleischesserinnen wie Kebekus und Sangesschwestern sollte man in der Nähe kein offenes Feuer entzünden. Helau!

Wo bleibt das Positive? Nahezu verliebt habe ich mich in die reizende Präsidentin der Kölner Mädchensitzung (ZDF), Martina Kratz, im Zivilberuf Dr. der Rechtswissenschaft an der Uni Köln.

19 Kommentare zu “Teestübchen Humorkritik – Tata, tata, tataaa! Karneval

  1. Gibt es auch eine Tapferkeitsmedaille wider den humanen Spaß? Du hättest sie verdient.
    Und musst du jetzt zum Lachen immer in den Keller, oder ist die treulose Bande reumütig zurückgekehrt, nachdem sie festgestellt hat, dass es dort unten nicht einmal Kohlen gibt?

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      • Ich sehe schon, Du bist „schussfest“.
        Habe mir den ganzen Zauber erspart, dafür aber zwei Fastnachtspfannkuchen gegönnt und will morgen mir dem von Dir befohlenen Fasten beginnen.
        PS: Buch noch nicht eingetroffen.

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        • Meinst du die Pfannkuchen, die außerhalb von Berlin „Berliner“ heißen? Empfohlen habe ich das intermittierend Fasten wegen seiner guten Ergebnisse. Bin schon drei Kilo leichter, herrlich. Inzwischen hat sich mein Essverhalten völlig angepasst.
          P.S.: Ich fürchte fast, die boykottieren mich.

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          • Ja, ich meine „Berliner“, Ich will ja auch nicht aus Frömmelei fasten, sondern um meine Gelenke ein bisschen zu entlasten.
            P.S.: Das wird schon. Habe über Amazon bestellt, weil ich keine Lust hatte, noch ein weiteres Kundenkonto zu eröffnen. Ich habe ja bald keinen Überblick mehr. Bin immer froh, wenn man irgendwo als Gast bestellen und die Bezahlung über PayPal abwickeln kann. Das ging in dem Fall aber offenbar nicht.

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  2. Wenn ich wo was von Gezote über schwerhörige Feen lese, komme ich sofort stellvertretend für meine Schwestern angeflirrt, heute natürlich stilecht mit Pappnase. Ah – Love! raunte ich heute meine Zeitgenossen an, aber die Westfalen sind voll spaßbefreit also ließ ich das nach der dritten irritierten mich anstarrenden Mutter mit Kinderwagen und Handy am Ohr. He, Lau! rufe ich dann begeistert im März, wenn ich endlich wieder Fahrrad fahren kann und weniger Zeit zum Lesen finde. Feen können schwerhörig werden, ja. Nun ist es also raus. Argh. Das tut weh. In solchen Zeiten wie Karneval ist ja Ehrlichkeit gefährlich. Wird alles gleich gegen dich verwendet. So tierisch ernst wie sonst nur Komplimente. Also Schimmel hat die schwerhörige Fee verstanden. Hat sie Hafer gezaubert? Also ich hätte Hafer gezaubert. Na ja, macht jede Fee anders. Hauptsache Wünsche erfüllen um abends die Blinde-Kuh-Liste abzuhaken: yes, hier und hier und hier gezaubert und da bisschen verzaubert….na jaaaa….das kam wegen Schwerhörigkeit. Besser schwer hörisch als schwer störrisch oder so.
    Zwei Jahre Niederrhein mit Pappnase und da kam aber de Zoch, dat kann ich dir sagen. Was das schön. Mit der Grundschullehrerin meines Sohnes als Funkenmariechen und Kamelle werfend. Ich fing ein rotes Herz aus Plüsch. Auf den Straßen saßen die Leutz mit Gartenstühlen und schunkelten zu jecke Musik. Und auf den Fahrradwegen lagen überall Glassplitter. Abends torkelten und rannten Kostümierte herum und grüßten dich. Das war da wie im Marvel-Universum. Überall solche Narren und Superhelden. Und nach Holland rüber war es auch nicht weit. Karneval? Jederzeit. Aber bitte auf der Straße und nicht in staubigen Sitzungen.

    Fein, Dein Bericht.
    Ich werde beim Universum Hörgeräte für unter Schwerhörigkeit leidende Schwestern bestellen.
    Für den Schimmel dann Hafer? Oder für den Simmel den Lafer? Oder für den Himmel den Schafer? Oder für den ….pah, denkste…:-))))

    Narrische Grüße von der Fee

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  3. Es gibt, lieber Jules, soweit ich sehe keinen Kulturkreis auf diesem Planeten, sei es in der Vergangenheit oder jetzt, der das Leben gänzlich drogenfrei erträgt. Respekt daher für deine Disziplin diesbezüglich!. Meine Karnevalserfahrungen endeten mit Margit Sponheimer, in die ich mich als kleiner Junge unsterblich verliebt hatte. Seither habe ich keine Karnevalsveranstaltung mehr im Fernsehen gesehen.

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    • Ich will versuchen, mein Lieber, das noch eine Weile durchzuhalten. Denn körperlich fühle ich mich besser, seitdem ich Alkoholverzicht und Fasten kombiniere. Was Margit Sponheimer getan oder gelassen hat, um mit 75 noch frisch und alert daher zu kommen, weiß ich nicht, aber viele Karnevalsgrößen, die wie sie erst mit dem Fernsehen bekannt geworden sind, wie die Kölner Black Föös sehen inzwischen erschreckend verlebt aus und so alt, wie sie vermutlich nie werden.

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      • Der Körper ist das beste was wir haben, also machst du sicher etwas richtig wenn du auf ihn hörst 🙂 Nie im Leben würde ich den Fehler machen und mir Margit Sponheimer irgendwo ansehen, oder im Internet etwas über sie herausfinden wollen (ich wusste nicht mal, dass sie noch lebt, geschweige denn dass sie noch frisch wirkt)), das ist eine Kindheitserinnerung, die ich mir bewahre!

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