Die Fraktur und die Kritiker der sächsischen Polizei

Viele Leute haben sich aufgeregt über ein Logo, das die sächsische Polizei auf den Kopfstützen ihres neuen Panzerfahrzeugs hat aufbringen lassen. Man sieht in der im Schriftzug verwendeten Frakturschrift Ähnlichkeit zur Symbolik des Nationalsozialismus. Es ist wohl tatsächlich so, dass unbedarfte Neonazis und ein Gutteil der Aufreger die Fraktur fälschlich mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringen, ungeachtet der historischen Tatsache, dass just diese Nationalsozialisten die Fraktur 1941 per Erlass verboten und als „Schwabacher Judenletter“ verunglimpft haben.

Die im Barock als Gebetbuchschrift entstandene Fraktur galt allerdings über Jahrhunderte als deutsche Schrift. Auch wurde in den Anfängen der Nazizeit das Eckige der Fraktur, mehr noch ihrer Vorform, der gotischen Textura, mit dem deutschen Nationalcharakter gleichgesetzt. Diese Deutschtümler werden nicht schlecht gestaunt haben, als der von Martin Bormann gezeichnete Erlass am 3.1.1941 ein Verbot der Schrift brachte. Einige Fakten über die Fraktur finden sich im verlinkten Teestübchenbeitrag und ausführlicher in der Teestübchen-Publikation „Buchkultur im Abendrot.“

Verbot der Fraktur (größer: Bitte klicken)

Auf Kosten der Steuerzahler wird der beanstandete Schriftzug nun von den Kopfstützen entfernt werden. Der eigentliche Skandal aber besteht weiter. Warum muss unsere Polizei paramilitärisch aufrüsten? Es ist doch gleichgültig gegen welche Kopfstützen die behelmten Polizistenschädel schlagen, wenn sie mit ihren, von Tagesschau.de vornehm „Polizeieinsatzfahrzeug“ genannten Panzern über hingefallene Demonstranten rollen. Möglicherweise entzündet sich die Kritik am leisen Unbehagen, dass die sächsische Polizei sich für ihr Sondereinsatzkommando (SEK) Panzerwagen vom Rüstungskonzern Rheinmetall bestellt hat. Aber dann muss man diese Tatsache hinterfragen und nicht ein postfaktisches Spiegelgefecht vom Zaun brechen. Was haben Panzer im Inneren zu suchen? Welche Überlegungen stecken dahinter? Rüstet man auf für bürgerkriegsartige Zustände?

14 Kommentare zu “Die Fraktur und die Kritiker der sächsischen Polizei

  1. a) Danke für Deine (wiederholte) Rehabilitierung der Frakturschrift.
    b) Dein Unbehagen teile ich voll und ganz. Erst kürzlich, als es darum ging, ob die Kosten für erhöhte Sicherheitsvorkehrungen auf Weihnachtsmärkten (und sicher auch bei vergleichbaren Veranstaltungen) von den Veranstaltern/Schaustellern zu tragen wären, habe ich mich gefragt, auf was wir uns hier langfristig einrichten. Und ich frage mich, ob dieses Aufrüsten im Zivilbereich – eben wegen seiner Anlage auf Dauer – nicht noch erschreckender ist als ein erklärter Ausnahmezustand, der ja irgendwann wieder aufgehoben wird.

    Gefällt 1 Person

    • Bereits im November 2010 sprach Innenminister Lothar de Maizière, an Bilder von Polizisten in schusssicherer Weste und mit der Maschinenpistole vorm Bauch sollten wir Bürger uns „gewöhnen“, wenn sie an den so genannten weichen Zielen, an Bahnhöfen, Flughäfen und auf Weihnachtsmärkten patrouillieren. In TV-Krimis zeigt man uns die Polizei als um ihre Mitmenschen bemühte Retter in der Not, doch die gesellschaftliche Realität ist der permanente unerklärte Ausnahmezustand im Überwachungsstaat. Das hat schon dystopische Ausmaße.

      Gefällt 1 Person

      • Ein Horror-SciFi-Szenario nach dem anderen wird Realität. Im Moment beobachte ich mich dabei, wie ich als Fußgängerin dem Autoverkehr ein Maß von Aufmerksamkeit widme, wie ich es früher nur als Autofahrerin getan habe. Trotzdem möchte ich nicht, dass am Bordstein in gleichmäßigen Abständen bewaffnete Sicherheitskräfte stehen.

        Gefällt 1 Person

  2. Ich sag da nix zu, weil Du das mit der Fraktur ja schon klargestellt hast. Von wegen: Das Internet vergisst nichts. Aber merken tut es sich leider auch nix.
    Das andere ist die Frage, wer eigentlich diese Scheißpanzer braucht. Und diese Frage sollten sich alle stellen, die jetzt denken »ja, aber die Terroristen, ja, aber das organisierte Verbrechen, ja aber…« Diese Waffen gibt es, weil laut danach geschrien wurde. Sicherheit! Angefangen bei der »Lebensversicherung« bis hin zur Bahre. Ein pervertiertes, abnormes Sicherheits-Gefühl, was all den Unsinn erst möglich machte. Jeder – angefangen von den Scheißgrünen bis zur tiefschwarzen CSU – hat laut „hier“ gerufen. Alle haben sich über das Logo auf den Sitzen aufgeregt; niemand über den Panzer. Ist hier ernsthaft irgend jemand, der glaubt, das Mordgerät würde dazu dienen, die Oma von nebenan aus irgend einem angenommenen Gefahrenbereich zu transportieren? So verblödet kann doch niemand sein.
    Das ist ein verdammter Schützenpanzer!
    »Perspektivisch kann auch ein Waffensystem installiert werden. „Das gibt die Gesetzeslage aber bisher nicht her“, erklärte LKA-Sprecher Tom Bernhardt.« Noch Fragen?

    Wenn ich mich mal eben zitieren darf:

    Die Dame von Welt fragt bei sich zu Hause »Bevor noch etwa wer über die Militarisierung der Polizei nachzudenken beginnt«. (weit hinten in den Kommentaren). Mir fällt dabei Orwells Emmanuel Goldstein und seine Bruderschaft ein.
    Ich halte Dames Feststellung in gewisser Hinsicht für falsch. Nicht die Militarisierung der Polizei, sondern die der Gesellschaft ist real. Wenn die Sucht nach Sicherheit jedes vernünftige Maß übersteigt, ist der Panzer im Vorgarten tatsächlich deeskalierend. Nicht gegenüber den Gegnern dieser Gesellschaft – die es messbar gar nicht gibt -, sondern gegen die öffentlichen Panikattacken. Bei denen geht dann schon mal eine Tierschutzorganisation mit Robotern gegen Obdachlose vor. Natürlich hätten die auch einen Panzer genommen, wenn man ihnen einen gegeben hätte. Machen wir uns doch nichts vor: »Die Gesellschaft« will diesen Panzer. Die Polizei ist nicht militant geworden; sie paßt sich einfach in ihrem Erscheinungsbild den Forderungen der Öffentlichkeit an. Es ist doch auch bemerkenswert, daß niemand die Existenz des Panzers an sich in den Arsenalen der Behörde in Frage stellt – lediglich auf die Tatsache, daß eine verräterische Symbolik auf einen Widerspruch hinweist. Sofern überhaupt ein Widerspruch vorliegt. Wenn die Behörde Flugzeuge bekommen hätte, wäre irgend jemand auf die Idee gekommen, diese historisch lustig rot anzumalen oder auf sonstig massenmörderische Symbole zurückzugreifen. Tief in ihrem Inneren weiß die Öffentlichkeit ja, daß da etwas völlig falsch läuft. Sie möchte nur nicht allzu deutlich darauf hingewiesen werden.
    Grundsätzlich ist es doch die selbe Diskussion wie beim Traditionsverständnis in den Kasernen. Man läßt junge Menschen mit dem Mörderarsenal der Großväter herumspielen und wundert sich, wenn die auch auf das Wertesystem – oder wenigstens die Symbolik – von Opa zurückgreifen. Wenn es überhaupt einen Widerspruch gibt, dann doch den, daß auch eine angenommene, moderne Gesellschaft nicht imstande ist, ihre Begründungen zum Töten oder bei der Ausübung von Gewalt grundlegend zu modernisieren. Gegen diese Jahrtausendealte Tradition argumentiert man nicht durch eine nachträgliche Ergänzung zu einem Artikel im Grundgesetz. Nicht gegen einen grundsätzlichen Instinkt des Menschen. Die Beantwortung der Frage, in wie weit der mittlerweile Teil des menschlichen Erbgutes ist, überlasse ich Würdigeren.
    Die Diskussion um die angenommene Nazi-Symbolik ist heiße Luft. Man muß schon sehr blinzeln, um diese glaubhaft zu sehen. Nicht aber, wenn man feststellt, daß technische Taucher, die mehr als 60m unter der Oberfläche arbeiten können, in hautenge Anzüge stecken, aber Beamte auf dem Weihnachtsmarkt aussehen wie Robocop. Das ist Symbolik. Und ganz nebenbei eine beabsichtigte. Daß die mittlerweile als beruhigend wahrgenommen wird, ist keine Frage einer Militarisierung der Polizei, sonder die gesellschaftlicher Wahrnehmung von Gefahr. Und ihrem vollkommen pervertierten Bedürfnis nach Sicherheit.

    Gefällt 1 Person

    • Hallo Pantoufle,
      “ daß niemand die Existenz des Panzers an sich in den Arsenalen der Behörde in Frage stellt“ Das habe ich im Text ja getan, und ich glaube, dass deine Aussage für die lauten Schreier gilt, die jetzt erneut ein Frakturverbot fordern, dass es aber genug besonnene Menschen in unserem Land gibt, die militärisches Gerät bei der Polizei bedenklich finden.
      Deiner These, dass unsere Gesellschaft mit ihrem überzogenen Anspruch auf Sicherheit quasi die Militarisierung der Polizei fordert, kann ich nicht völlig zustimmen. Politik und Polizei greifen die German Angst freudig auf, schüren Sie sogar, unterstützt von willfährigen Medien wie am Beispiel Tom Buhrows zu sehen und bauen im Gegenzug bei den kleinsten Protesten ihre Drohkulissen auf, wozu auch der martialische Aufzug der Polizisten gehört, den du benannt hast. Ein Beispiel habe ich hier in einer Reportage vom 14.06.2010 beschrieben:

      „Ich war geschockt darüber, wie wenige sich hier eingefunden haben“, sagt der junge Mann auf der improvisierten Bühne ins Mikrophon. Er steht auf einem Kleinlaster, dessen Plane zu dem verlorenen Häufchen Demonstranten hochgeschlagen ist. Auch müssten bessere Slogans her. In der Tat sind die Transparente ziemlich unfertig vollgeschmiert. Da ist kaum zu erkennen, worum es überhaupt geht, nämlich um eine Demonstration gegen die Bildungsmisere an deutschen Hochschulen. Der Redner gibt sich redliche Mühe, versucht auch die Passanten anzusprechen, die an diesem Samstagmittag die Georgstraße entlanglaufen, eine der Fußgängerzonen im Zentrum von Hannover. Schließlich ginge es nicht nur um die heutigen Studenten, sondern auch um die Zukunft ihrer Kinder. Und das beträfe alle, auch die Polizisten.

      Eine halbe Hundertschaft rundum, überwiegend junge Polizeikräfte folgen gelangweilt dem Geschehen. Pro Demonstrant ein Polizist, das ist eine luxuriöse Fürsorge, eine müßige Angelegenheit obendrein, denn etwas zu regeln gibt es nicht. Da ist nicht einmal eine Vuvuzela zu hören. Die Passanten eilen trotzdem vorbei, denn ab und zu fallen Regentropfen aus dem düsteren Himmel. Ja, wenn hier Lena auf dem Kleinlaster stünde, dann sähe die Sache anders aus. Dann hätte man sich schon zwei Stunden vorher eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern und der Regen, – ach, sind nur ein paar Tropfen. Selbstverständlich würde die Polizei sich zurückhalten, stünde irgendwo versteckt in einer Seitenstraße, um die gute Laune nicht zu gefährden. Sobald aber ein Demonstrant ein armseliges Pappschild hochhält, steht schon sein persönlicher Polizist nahebei. Was ist bloß los in diesem Land? Warum baut die Staatsmacht selbst bei mauskleinen Protesten eine derartige Drohkulisse auf, so dass ein unbefangener Passant denken muss, da geschehe etwas Illegales, wovon man sich besser eilig entfernt? Man sollte meinen, das gibt es nur in China, wo öffentliche Bekundungen erst gar nicht erlaubt sind und nötigenfalls brutal verhindert werden.

      Das ist gespenstisch; es zeigt eine demokratische Gesellschaft auf Talfahrt. Die meisten leisten keinerlei Gegenwehr, rennen lieber zu jedem Spaßevent hin, saufen sich den Kopf zu und machen Party, hängen fadenscheinige Deutschlandlappen aus den Fenstern ihrer verrottenden Buden, und hat ihnen die Bank noch ein Auto zugestanden, dann klemmen sie diese elenden Plastik-Fähnchen ran, die nicht mal zum Arschwisch taugen, brüllen: „Tschland! Tschland!“ und „Isch liebe deutsche Land!“ Warum? Bietet ihnen dieses Land eine sichere Perspektive? Interessieren sich die gesellschaftlichen Eliten einen Deut für ihre erbärmlichen Schicksale? Im Gegenteil. Die Eliten betreiben lustvoll die Ausplünderung des Volksvermögens. Welchen Grund hat die verarmende Bevölkerung zu jubeln? Elf Millionäre spielen Fußball in Südafrika, und die vereinten Schmockmedien trommeln die Marginalie hoch zum Nationalereignis. Wenn die WM vorbei und vergessen ist, werden viele nicht nur ein paar Regentropfen abkriegen, es wird alternativlose Entscheidungen hageln wie Sau. Dann wird den meisten das Fahnenschwenken vergehen. Das enervierende Getröte der Vuvuzelas wird ihnen vorkommen wie die Tanzmusik der Apokalypse. Und „verdammte Axt!“ die Vuvuzela-Ohrstöpsel sind ausverkauft.

      TSCHLAND. Ein nationales Ereignis fand statt letzten Samstag am Steintor in Hannover, ein armselig kleiner Studentenprotest gegen die herrschende Unbildung, gegen die verordnete Verblödung eines Volkes. Er war vorzüglich abgeschirmt durch die Polizei.

      Gefällt 2 Personen

  3. Die ganze Geschichte um diesen Panzer ist äußerst skurill – allein schon diese technische Raffinesse in Sachen Tarnung. Man kann tatsächlich die Schrift „Polizei“ umklappen, so dass – wie die Betreiber behaupten – das Fahrzeug auch undercover unterwegs sein kann.

    Ein Panzer undercover unterwegs – auf die Idee muss man erst kommen!

    Gefällt 2 Personen

  4. Pingback: Aufregung um die Tannenberg-Schrift

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..