Weh! Unser gutes Vogelfrei hat zu!

Unsere Stammkneipe, das Vogelfrei, ist seit Wochen geschlossen. Zuerst hing ein Urlaubsschild da, dann wurde der Termin der Wiedereröffnung hinausgeschoben, und jetzt hört man, dass ein anderer Pächter das Vogelfrei übernehmen wolle. Derzeit trifft sich das Hannover Cünstler Kollektiv ( HaCK ) notgedrungen im Glüxkind, das leider auch schon nicht mehr so heißt, sondern Leinau 3. Über fünf Jahre haben wir uns im Vogelfrei getroffen, waren vertraut mit den Wirten, besonders mit der liebenswürdigen Janine, die unsere Präferenzen kannte und mir immer ein Bier zu wenig berechnet hat.

Als ich noch rauchte und etwas länger, haben wir im Raucher gesessen. Ich betrat das Lokal, grüßte und ging an der Theke vorbei die Ecke rum in den Raucherraum, der im rechten Winkel zum übrigen Lokal lag. Derweil zapfte Janine mir schon das Pils. An der Stirnseite des ersten Tisches, ein Fenster im Rücken, saß Konrad Fischer, vor sich ein großes Pils und las. Im Raum schossen die Stimmen der anderen Gäste umher wie aufgescheuchte Vögel, mal gackerten auch Hühner, aber Konrad las unverdrossen in einem Buch. Der Mann hat immer ein Buch bei sich, fühlt sich sonst nackt.

Ich schob mich auf die gepolsterte Sitzbank an der rückwärtigen Wand, denn ich mag immer übereck sitzen, schaute mir sein Buch an, ließ mir eine Passage vorlesen, was er gerne tat, um mir einen Eindruck von seinem Lesestoff zu geben, dann kam Janine und brachte mein Pils, so dass wir anstoßen konnten. Der Abend konnte beginnen. Bald traf dann auch Herr Putzig ein, verständlicher Weise immer nach uns, denn er musste von zu Hause nur schräg über die Straße gehen und man weiß ja, dass die kürzesten Wege oft die steilsten und beschwerlichsten sind. Eventuell kam auch noch ein gut gelaunter Filipe d’Accord, dessen Idee HaCK gewesen ist, ursprünglich, um die verschiedenen Künste/Künstler des Viertels unter einem Dach zu vereinen. Der Ausgangsgedanke war skurril genug, der Gruppe Bestand und Identität zu geben. Filipe, Vegetarier wie ich, hätschelte seit langem die jedermann verständliche Idee, eine Handvoll Hack ans Fenster des Vogelfrei zu werfen, quasi als Gründungsritual. Es sollte das Fenster genau hinter Konrad Fischer sein. Der Wirt war einverstanden, wunderte sich überhaupt nicht, hielt uns vermutlich sowieso für seltsame Vögel, hatte auch keine Angst um sein Fenster, weil er dachte, Hack ist weich, und die werfen wie Mädchen.

Vogelfrei von außen mit Logo – Foto: Jvdl

Liv, die Kellnerin, bot sich an, das Ritual zu fotografieren, ich skizzierte die Gründungsurkunde, aber auch in den darauffolgenden Wochen wurde nur über die HaCK-Aktion geredet und geredet. über dies und das oder andersrum über das und dies, – das weiß ich nicht mehr genau, Herr Putzig wahrte die metakommunikative Übersicht des Soziologen, die ihm aber den echten Zugang zur Idee verwehrte. Wir hatten Putzig sowieso zur HaCK-Mitgliedschaft pressen müssen wie einst die englischen Matrosen zur Marine ihrer Majestät gepresst wurden. Vor allem störte ihn die durch den Verein bedingte Verengung unserer Themen, denn Herr Putzig ist ein universell interessierter Mann und nennt sich zurecht „Magister der Weltweisheit.“ Beispielsweise versucht er in Zahlen aus dem Alltag immer Jahreszahlen zu sehen und dann aus dem Stand zu benennen oder zu eruieren, was just in diesem Jahr Wichtiges passiert ist, hat überhaupt ein ulkiges Verhältnis zu Zahlen. „Wenn ich etwas in den Kühlschrank stelle“, sagt er, „dann schaue ich mir das Verfallsdatum an, und wenn beispielsweise einer sagt, wir treffen uns am 18.4., dann weiß ich, da war doch irgendwas.“ Ich ergänze: „Und sagst, dann kann ich nicht, am 18.4. läuft mein Joghurt ab.“

Konrad Fischer wusste vom Urkontinent Pangea zu erzählen, als wäre er höchstpersönlich dort umhergelaufen, weshalb „Pangea“ zu unserem Synonym für unausgegorenes Halbwissen wurde, das jemand mit Nachdruck vorbringt. Von Quatsch und Pangea-Gerede unbeeindruckt, brachten Janine oder Liv das eine oder andere Bier und mir die überaus wohlschmeckenden Pommes. Als ehemaliger Handwerker bin ich in allem strikt ergebnisorientiert, also mental bin ich ein verfluchter Maurer, der abends gucken will, wie hoch er die Mauer gezogen hat. Nach einiger Zeit machte mich das folgenlose Gerede überdrüssig, und ich blieb weg. Als wäre ich der Korken in einer Sektflasche gewesen, wurde alles konkret und HaCK in einer schönen Fluxus-Manifestation gegründet und gleich wieder beerdigt. Wie, ist an anderer Stelle berichtet. (Falls hier Kinder mitlesen: Geworfen wurde vegetarisches Hack, BSE- und Fipronilreduziert) Und was jetzt?

Unser liebes Vogelfrei ist tot? Hoffentlich nur ein Alptraum, wie hier von Kaspars Tod, kongenial vorgetragen von Wilhelm Ruprecht Frieling, einem guten Blogfreund des Teppichhauses Trithemius aus Blog.de-Zeiten. Ziehs dir rein und ersetze im Geist Kaspar mit Vogelfrei.

23 Kommentare zu “Weh! Unser gutes Vogelfrei hat zu!

  1. Wunderbar! Und auch genial, den Künstler mit C zu schreiben, auf die Idee ist, komischerweise, vor euch noch niemand gekommen, oder irre ich mich? Gäbe es korresponierende Mitglieder, würde ich mich glatt bewerben (freilich bekäme ich dann mein Bier nicht so schnell). Für die Wiedereröffnung des Vogelfrei drücke ich alle Daumen!

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    • Eine kleine Internetrecherche brachte auch andere Cünstler, beispielsweise hier http://www.taz.de/!1152230/ von 2001, kannten wir aber nicht. Ich erinnere mich schwach, dass Filipe Bedenken hatte, aber dann haben wir uns doch entschieden, als Orthografie-Anarchos zu firmieren. An korrespondierende Mitglieder haben wir noch gar nicht gedacht. Ich wills mal ansprechen. Danke fürs Daumendrücken.

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  2. Schön erzählt!
    Ein kleiner Kosmos, der in eine unbekannte Galaxie abgewandert ist. ich hoffe das Vogelfrei kommt wieder.
    Mir ist es mit dem „Kloster“ in Berlin Kreuzberg so ergangen. Man kannte sich und jeder hatte seinen Platz und seine Rolle. Eines Tages war der Laden wg. Krankheit geschlossen und irgendwann wurde renoviert und aus dem Kloster wurde das Kirk. Schade.

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    • Danke dir. „Ein kleiner Kosmos, der in eine unbekannte Galaxie abgewandert ist“, ist so schön gesagt. Ich kann mir vorstellen, dass du gerne ins „Kloster“ gegangen bist. „Heute gehen wir ins Kirk“ klingt dagegen nichtssagend. Immer muss sich alles ändern. 😦

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  3. Lieber Jules,
    mir war sehr heiß und das trotz des eisigen Deprivemberwetters hier. Das ich anfing zu verkohlen, lag an dem Arp und seiner Anmerkung von verkohlten Feen. Ja, verkohlt fühle ich mich öfter mal und von allen möglichen Leuten. Vor heißem Schreck habe ich Dada-Dichter-Arp sofort was höflich Kondolierendes wegen Kaspars Todesverdacht zurückgedichtet. Ich wollte auch noch einen Ameisenhaufen drin unterbringen, doch das wäre zu wuselig geworden. Bleibt also mal lieber weiter unveröffentlicht, hat Kaspar apodiktiert. Von wegen tot: Tot sind welche, die nicht mehr auf kleinen Energiewirbeln durch die Matrix unserer Wirklichkeit toben. Ist Sesshaftigkeit eine Vorstufe des Sterbens? Also dieses Wetter macht mir seltsame Gedanken. Dann auch noch dieses Vogelfrei. Nun, wer vogelfrei ist, ist (zumindest im finsteren Mittelalter) bereits (fast oder so gut wie) tot. Solche Künstlervögel, wie Du sie kennst, sind feine. Von denen lässt sich im Zusammensein prima beobachten und weiterflügilieren. Es kommt im Leben nicht auf die Menschen an, mit denen Du gehst, sondern mit denen Du zusammen fliegen kannst. Ein Ort bleibt immer nur ein Ort und ist es nicht seltsam, wie manchmal einen starken Geistverband nur eine Seele verlassen muss, damit er auseinanderstiebt als pustete man in einen Haufen loser Federn und nicht in ganze Vögel.
    Ich erlebe sehr oft Schnapszahlen und ganz besonders, wenn ich morgens auf meinen Wecker schaue, ist es oft: 5.55 oder 4.44 (in der Frühe). Morgens funktioniert die kleine Narretei am allerbesten. Mal schauen wie es morgen ist. Vielleicht so um 11.11 Uhr. Nun hast Du es geschafft ,mich aus meiner Feenwaldeinsamkeit hochzujubeln. Bei Arps Feen fühlte ich mich gleich ins Veto gedrückt. Feen können ja nicht mal verkokeln. Die sind so ätherisch wie dieser verflixte Teutonebel beinah greifbar dick ist. Als atme man käsige Kälte. Igitt, pfui Teufel. Der Vortrag ist toll. Dein blogfreund hat es voll druff, wie wir hier gerne sagen. Ich war dabei und rezitierte im Geiste mit und längst nicht so eindrucksvoll, sondern eben wie eine Fee: leise und fast ein ganz kleines bisschen traurig, weil der Kaspar ja hier als tot beklagt wird. Und deshalb, weil ich es besser weiß, den Kaspar ist unsterbselig.

    Hab ein schönes WE,

    grüßt flammariend die Stefanie Karfunkelfee

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    • Meine liebe Stefanie,
      zuerst ist es mal hocherfreulich, dass mein Vogelfrei-Jammer und Prinz Rupi mit seinem Vortrag dich hervorgelockt haben aus deinem Schneckenhaus. Rate mal, an wen ich bei Hans Arps „verkohlten Feen“ sofort gedacht habe, wobei du mit Recht anmerkst, dass Feen nicht verkokeln können,.Und verkohlen soll dich auch keiner. Freilich ist bei Dada alles möglich. Ist dir das Jahr aufgefallen? Ein ausgereiftes Dada-Gedicht von 1912, vier Jahre vor dem Cabaret Voltaire 1916, das gemeinhin als Entstehungsort von Dada gilt und den Zeitpunkt angibt. Da war der wunderbare Hans Arp allerdings auch schon beteiligt.
      Frieling, zu dem ich leider den Kontakt verloren habe, stammt übrigens aus deiner Gegend. Seine heitere Lust am Nonsens ist gewiss eine gute Waffe gegen den Nebel des Teutos.
      Bei deiner Frage zu Sesshaftigkeit fällt mir das Adverb wohnhaft ein, worin zumindest die Haft steckt. Andererseits freut man sich niemals so sehr, nach Hause zu kommen wie derzeit. Ich fuhr heute schon kurz nach 15 Uhr mit Licht am Fahrrad.

      „Es kommt im Leben nicht auf die Menschen an, mit denen Du gehst, sondern mit denen Du zusammen fliegen kannst“, ist so schön gesagt. Mich beflügelt dieses junge Volk tatsächlich, dessen „Alterspräsident“ ich ungewollt bin. Und HaCK ist weiterhin lebendig, obwohl wir es in besagter Fluxus-Aktion zu Grabe getragen haben. Es gibt irgendwo bei Shhhhh Gifs von der Aktion, aber ich fand sie nicht. Werde den Link nachreichen.
      Ein schönes WE auch dir und lieben Gruß,
      Jules

      Vorläufig als Zugabe die erste Strophe eines anderen Gedichtes von Hans Arp, von mir mal vor langer Zeit mit Buntstift und Lust am Morbiden gezeichnet:

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      • Übrigens zur Digitalanzeige auf Weckern eine Zeitansage im Radio, die nur versteht, wer noch die Anzeige in 7-Segment-Schrift kennt und noch weiß, wofür „Mantafahrer“ stand: „Es ist 8:48 Uhr – oder für die Mantafahrer unter uns „Brezel, Stuhl, Brezel.“

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      • Lieber Jules, wenn ich eine meiner Feenschwestern in Gefahr wähne (verkokeln auf Scheiterhaufen zum Beissspiel) krieche ich sogar aus meinem muckelig zentralerhitzten Molluskengewinde, sonst wäre ich eine schlechte Fee. Sess-Haft. Wohn-Haft. Ich kenne noch mehr Haft-Wörter. Komisch, sie waren mir immer schon suspekt. Nun weiß ich endlich auch wieso, lieben Dank! Allerdings gebe ich Dir völlig Recht: Gut hat es, wer bei solcherlei fisseligem Graugewettere den Eisnadelregen vor der Tür lassen kann und sich gemütlich bei Kerzenschein einmummeln. Bei allen zeitweise aufkeimenden Tristetassethemen, relativieren Gedanken an weniger sicher bewärmte Leutz da draußen vor der Türe.

        Wenn Du mich jetzt nicht hingewiesen hättest auf das kunsthistorische Arp-Kunststückchen hätte ich Banausin es nicht einmal bemerkt. Dass ich es nun weiß, freut mich hingegen um so mehr. In Bielefeld kämpfen sie auch um den Erhalt einer kleinen Lieblingskneipe in der Altstadt . Ich habe die Petition gerne unterzeichnet, hier geht es auch um den Erhalt von etwas Liebgewonnenem. Beim „Cabaret Voltaire“, so las ich, unterstützten Dada-Freunde den Erhalt des vogelfreien Hauses und besetzten es so lange bis die Stadt Zürich einsah, dass es dieses Haus in der Spiegelgasse braucht, weil es zu viele Freunde und Anhänger in der Welt hat. Bielefeld brachte immer wieder Komiker hervor. Wenn man in meiner Stadt lebt, braucht man jede Menge Humor. Der Teuto kann sehr griesgrameln, ein rechter Nieselpriem kann dieser Wald sein, wenn man triefend und tropfend die Hand vorm Baum nicht mehr erkennen kann und knietief im Matsch einsinkt. Tag und Nacht suppt und kapuzt dieser gräulich verschlissene Nebel die Bergkuppen und wenn die Bäume hier herbstnasse Stinklaune haben, werfen sie ihre Blätter trotzig ab und klatschen sie Dir ins Gesicht und um die Ohren als seien sie Literaturkritiker mit Bücherverrissen. Prinz Rupi behalte ich im Hinterkopf falls der Landsmann mir irgendwo unterkommt. Besonders schön, dass sich „HaCK“ der Beerdigung widersetzte. Kunst = Leben. Leben = Kunst. Danke für die Links und einen schönes Sonntagsausklingeln wünsche ich Dir,
        -Stefanie

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  4. Die Daumen sind gedrückt, lieber Jules.
    Es ist gemein und unnötig, wenn ein Kneipen- oder Cafewohnzimmer einfach verschwindet. Man hängt an diesen Orten und kann sie nur schwer loslassen. Ersatz ist schwer und manchmal unmöglich zu finden.
    Natürlich findet man einen anderen Ort. Aber trotzdem….es ist immer ein Verlust, wenn es sich um etwas so schönes wie das Vogelfrei handelt.

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    • Dankeschön, liebe Mitzi. Dann müsste es eigentlich klappen. In vielen Städten gibt es Traditionskneipen, die über 100 Jahre bestehen, so beispielsweise das Goldene Einhorn am Aachener Markt,wo mein guter Freund Thomas, bei mir Jeremias Coster genannt, sein Wohnzimmer hatte. Aber in der heutigen Kneipenkultur ist viel Bewegung wie überhaupt sich unsere Gesellschaft rasch verändert..

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  5. Oh je! Das ist eine echte Katastrophe! Geschlossene Stammkneipen sind irgendwie wie Vertreibung und Flucht über die kurische Nehrung. Die Vertriebenenverbände sitzen dann in einem anderen Lokal – weißt Du noch? – und natürlich war die alte, richtige Kneipe viel richtiger. Das Bier, die Stühle, die schöne Bedienung, die Selbstverständlichkeit.

    Nach Jahren der Diaspora habe ich endlich wieder eine; man muß zwar 20km fahren, aber dafür gibt es dort von Zeit zu Zeit Labskaus, mit Hering extra oben drauf. Die beste Curry-Brat der Welt gibt es dort auch, aber eben auch Labskaus und der Koch und ich sind in der selben Stadt geboren.
    Weil die Kneipe aber rund 200 km von der nächsten Küste entfernt ist, hält sich die Begeisterung der anderen Gäste für dieses Gourmet-Juwel in überschaubaren Grenzen. Es ist also eine moralische Verpflichtung, diesen gastronomischen Service durch Anwesenheit am Leben zu erhalten. Dazu gibt’s Musik vom Cassettenrecorder und keine Musik ertönt, die nach der Einstampfung dieses Tonträgers produziert wurde. Noch ein guter Grund!

    Ein Raucherzimmer gibt es dort auch. Mit Kamin und gemütlichen Sesseln. Nach Mitternacht aber wird den Gästen der Gang um die Ecke erspart, weil ganz unauffällig Aschenbecher auf der Theke auftauchen. Auf einmal hat jeder eine Zigarette in der Hand und da ist niemand, der das irgendwie sonderbar fände oder nach den Bütteln riefe.
    Ja, wieder ein Zuhause – das hat aber auch lange gedauert! Mein letztes Wohnzimmer war ein Grill im nächsten Dorf; der hat ja nun vor geraumer Zeit zugemacht. Dort, wo Fritten-Paule sein Traditionsgeschäft unterhielt, gähnt nun Lehre. Er wurde durch einen habgierigen Verpächter vertrieben, der zwecks Gewinnoptimierung nach anderen Kunden schielte.
    Höhnisch sahen wir den Nachfolger mit seinen gebrauchten Comic baden gehen, gefolgt von einem Blumengeschäft, verdorrtes Grünzeug, wo vorher der Duft von Fritten und verschüttetem Bier lockte. Seit zwei Jahren nun ein Zettel »zu vermieten«. Und jeder der Eingeborenen geht wehmütig an den blinden Scheiben vorbei.
    Man sollte viel mehr über Kneipen schreiben.

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    • Hi, Pantoufle!
      Danke für deinen Zuspruch. Raucherzimmer sind ja inzwischen so exotisch. Eine Weile hatte ich Grund, regelmäßig nach München zu fahren. In ganz Bayern kennt man überhaupt keine Raucherzimmer. Da ich inzwischen aus Gründen Nichtraucher bin, kümmerts mich nun gar nicht mehr, obwohl ich erinnere, dass im Raucherzimmer des Vogelfrei immer mehr „Stimmung“ war als im Restlokal.
      „Man sollte viel mehr über Kneipen schreiben“, lässt mich denken, dass es vor allem wichtig ist, wenn sie noch bestehen, weil dann die Anschauung noch möglich ist und damit die Schilderungen nicht den Charakter des Nachrufs bekommen. „Grill im nächsten Dorf“ erinnert mich an meine Jugend und das Kneipenelend auf dem Dorf. Allerdings gab es in unserem Dorf „Karl“, eine für mich und Freunde ausreichend skurrile Kneipe, in der wir uns wohl fühlten. Dort hat viel später der unsägliche Horst Lichter sein erstes „Restaurant“ betrieben
      Gegen die ständige Veränderung lobe ich mir den Goldenen Schwan am Aachener Markt, wo mein Freund Jeremias Coster sein Wohnzimmer hatte. Da hingen unzählige gerahmte Bilder, auf dessen Rückseiten sich diverse Manifeste von Trinkgelagen und geselligen Zusammenkünften aus Jahrzehnten fanden.

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    • O nein, gar nicht, pantoufle. Wir sind hier nicht zu Hause bei Orthographie-Nazis. Aber ich kenne das Gefühl und bedauere, dass es für Kommentierende keine Korrekturfunktion gibt wie in deinem Blog. (Vermutlich gibt’s sogar ein Adon, das ich nur installieren müsste. Aber ich fürchte, es kostet mich zuviel Nervenkraft.)

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  6. Och Möööönsch…
    komisch, lieber Jules, immer, wenn in Deinen Texten das Vogelfrei vorkam, hatte ich das Bild einer urigen, sehr alten, verräucherten Einrichtung vor mir mit einer bunten, alterslosen Gästeschar und einer knuffigen Kneipenatmosphäre darin, wie man sie besonders in Universitätsstädten vorfindet.
    Du hast Eure Zusammenkünfte in Eurem Vogelfrei so toll beschrieben, dass man am liebsten gern einmal dabei gewesen wäre.
    Nun, Euch gibt es ja auch noch, aber Ihr seid aus Eurem Nest geworfen und der Winter steht vor der Türe
    Das ist wirklich bitter.
    Vogelfrei.
    Nomen est dann doch wohl omen.
    Wie schade.

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    • Lieber Lo,
      danke für deinen mitfühlenden Kommentar und dein positives Urteil. Mir war gar nicht bewusst, dass ich im Teestübchen so oft über das Vogelfrei geschrieben habe, freilich drüben im Teppichhaus öfter, wo du natürlich auch schon lange ein- und ausgegangen bist. Als ich obigen „Nachruf“ geschrieben habe, wurde mir erst recht bewusst, wie lange wir schon ins Vogelfrei gegangen sind, schon weit vor meinem Herzinfarkt und Schlaganfall. Und ich werde den dreien nie vergessen, wie sie mich danach besucht und mich wieder ins normale Leben zurückgeholt haben. Überhaupt tragen die drei von HaCK und die locker assoziierten Freundinnen und Freunde dazu bei, dass ich mich manchmal recht „alterslos“ fühle, obwohl mich schon mal einer aus diesem größeren Umfeld auf einer Fete freundlich als der „Alterspräsident“ begrüßt hat. Manchmal genieße ich es bei Aachenbesuchen, nicht der älteste unter Freunden und Exkollegen zu sein. In Hannover bin ich nur mit dem jungen Volk zusammen, und das strahlt vermutlich auf mich aus. Wir haben uns schon mit dem Leinau3 arrangiert, sind also nicht ganz in die kalte Welt geworfen.
      Beste Grüße,
      Jules

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