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Als ich noch in Aachen lebte, hat einmal ein Handwerker das Klingelbrett repariert. Da musste er zum Test gelegentlich bei mir klingeln. Jedesmal, wenn ich “Ja?“ in den Hörer der Haussprechanlage gesagt habe, hat er seinen Namen genannt und erklärt, dass der Hausbesitzer ihn beauftragt habe, das Klingelbrett zu erneuern. Und dann hat er gefragt: “Sind Sie Herr Dingens?“ Und ich habe „nein“ gesagt, als er meine Stimme schon hätte wiedererkennen müssen, habe ich „noch immer nicht“ gesagt.
Später war ich einkaufen, und als ich zurückkam, fummelte er weiter an den Kabeln. Da wurde mir erst richtig klar, wie kompliziert das Netzwerk eines Klingelbretts ist. Man nimmt alles so selbstverständlich hin, obwohl nichts selbstverständlich ist. Das ganze gesellschaftliche Leben ist in komplizierten Netzwerken organisiert. Die meisten nimmt man nur wahr, wenn sie nicht mehr funktionieren. Von anderen weiß man gar nichts oder wenig, weil man dem Netzwerk nicht angeschlossen ist.
LukeGiovanni, Ich bin dein VaterOnkel!
In Hannover-Linden sehe ich gelegentlich einen Stadtstreicher. Er trägt seine Habe in einer abgerockten Plastik-Einkaufstüte der Ladenkette NP. Manchmal kommt er mittags mit kleinen Trippelschritten ins Marktcafé, um ein Glas Rotwein zu trinken. Letztens saßen eine Freundin ich im rückwärtigen Raum des Marktcafés. Da kam der Stadtstreicher hinzu und setzte sich mit seinem Rotwein an einen Tisch auf der anderen Seite des Raums.
Wir besprachen, dass Chefredakteure von Printmedien meistens arrogante Pinsel sind und lachten darüber, dass Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bei der Europawahl aus lauter Selbstgefälligkeit zweimal gewählt hatte, weshalb eine Weile gegen ihn wegen Wahlbetrugs ermittelte wurde. Die Freundin wusste zu erzählen, wie Di Lorenzo sich in einer Bäckerei über eine Verkäuferin geärgert hatte und entrüstet gefragt habe: „Ja, wissen Sie denn gar nicht, wer ich bin?“ Da fragte der Stadtstreicher quer durch den Raum: „Der Giovanni? Der ist ganz berühmt, kommt sogar im Fernsehen. Ich bin sein Onkel.“
Das Kleinknechtsyndrom
Ein Kollege erzählte aus seiner ostpreußischen Heimat, auf dem Gut habe ein geistig behinderter Mann als Kleinknecht gearbeitet. Der hatte Anspruch auf mittags eine Mahlzeit, eine „Schettel“ (Schüssel) voll. Einmal sei man bei der Feldarbeit gewesen und hatte für den Knecht die Schüssel vergessen. Stattdessen gab man ihm reichlich in einen Eimer. Da murrte der Kleinknecht, weil er nicht voll war, denn er hatte Anspruch auf eine Schettel voll. Ich habe den Verdacht, dass wir in vielerlei Hinsicht nicht anders sind als der Kleinknecht, dass wir nämlich die Dinge oft mit dem falschen Maß bewerten. Nur ist es selten so offensichtlich wie im Beispiel des Kleinknechts.
Abteilung: Blöde T-Shirt-Aufdrucke
„Kaltes Bier und heiße Weiber
sind die schönsten Zeitvertreiber“ –
und das über einem Schmerbauch. Da waren wohl viele Biere gewesen und heiße Weiber nur vom Hörensagen.
Darth Giovanni und Bier formte meinen Körper. Sehr kurzweilig! Zur Verbindung zweier Sprechstellen fertigte ich einmal einen kleinen Linolschnitt:
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Danke für den Linolschnitt. Die Technik der Darstellung fasziniert mich, weil siie überwiegend aus feinen Linien besteht, was ja bei einem Hochdruckverfahren sehr schwer zu machen ist. Ist’s gearbeitet wie eine Radierung?
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Lieber Jules, ich bin ein fauler, aber wie ich finde ein eleganter Drucker. Die Linien sind einfach ins Linoleum geschnitten. Durch das Aufwalzen schwarzer Farbe auf Papier und dem Druck der Platte mit einer hellen Farbe entsteht der Eindruck, zumindest soll er es, die Linien wären als Klischee stehen geblieben. In einer Dürer-Holzschnitte-Ausstellung mit Bibelillustrationen vor einigen Jahren, konnte man sehen, dass der alte Pedant die Holzschneider zwang so zu arbeiten, das feinste Linien stehen blieben.
„Dürer! Deine Kniefickerei geht mir echt auf die Eier!“
Darum wollte auch nach kürzester Zeit kaum einer mit ihm arbeiten. Leider waren die Drucke ziemlich gut und höchst unterhaltsam, somit war das zu rechtfertigen.
Ich lernten noch einen Holzgraveur kennen, der in den Anfängen des Versandhauses Quelle für den Katalog Stirnholz gravierte und damit Holztiefdrucke produzierte. Schon in den 60er Jahren ein Exot. Ab und zu taucht glücklicherweise immer wieder so ein „Exot“ auf. Da bleibts schön bunt.
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Danke für die Erläuterung und Enthüllung deiner Technik, lieber Christian. Als Handwerker (ich habe noch Linol- und Holzschnitt in der Berufsschule gelernt) wäre ich nie darauf gekommen, es so zu machen, bin in dieser Hinsicht auch ein Pedant. Tiefdruckverfahren wie Kaltnadel- und Ätzradierung lernte ich erst im Kunststudium kennen. Ich freue mich, dass mit dir ein „Exot“ im Teestübchen verkehrt und ich auch noch elegante Lösungen lernen kann.
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Ja, wie dieser Kleinknecht haben wir wohl kein rechtes Maß mehr dafür, wie gut es uns geht und was wir erwirtschaften. Entscheident ist nur noch, dass es mehr ist, es geht nicht darum, dass es genug ist, denn genug, das wusste schon Konstantin Wecker, kann nie genügen.
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Ich meinte noch was anderes, kann es aber gerade nicht fassen. Der Mensch wertet insgesamt höchst seltsam, Beispielsweise im Verhältnis zum Geld. Ein Haufen Münzen kommt uns immer mehr vor als digitale Buchungen in gleicher Höhe auf dem Konto.
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Ein konkreteres Beispiel: Angenommen dir fällt ein 50-Centstück auf den Gehsteig und rollt in den Gully. Das schmerzt weit mehr als die wesentlich höhere Gebührenabzocke durch die Banken.
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Es gibt wenige T-Shirts mit Sprüchen über die ich auch lachen kann. Ganz anders hier. Hier schmunzelte ich an einigen Stellen. Giovannis Onkel zum Beispiel…nicht zum Schmunzeln, aber ich lese so etwas lächelnd, ganz einfach weil mich diese kleine Erzählung sehr erfreut.
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Freut mich, dass du geschmunzelt hast, liebe Mitzi. Der Ex-Titanic-Chefredakteur Thomas Gsella (übrigens ein Gegenbeispiel zur Aussage oben) hat mal eine Satire von mir abgelehnt mit den Worten: „Wir mussten nicht schmunzeln.“ Das hat mich sehr getroffen, weils gerade das ist, was man sich wünscht. Lächeln ist freilich noch schöner.
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Ein knapper Satz mit einem sehr harten Urteil. Es hätte mich auch getroffen, lieber Jules.
Ein Lächeln rufst du noch immer hervor. Immer wieder.
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