Meine lieben Damen und Herren,
Von Dezember 2005 bis März 2006 veröffentlichte ich in meinem ersten Blog Teppichhaus Trithemius in regelmäßiger Folge das Format „Nachtschwärmer online“. Ich wohnte damals in Aachen in einer schönen hellen Altbauwohnung auf der ersten Etage, die allerdings einen Nachteil hatte: Genau auf Höhe der Fenster führte über einen Damm eine Güterbahnlinie Richtung Belgien vorbei. Ich kannte ihren Verlauf gut von meinen vielen Radtouren durch die Gegend. Sie hat etwas Wildromantisches, führt durch ein Hügelland mit einer Reihe von Tunneln, über gigantische Viadukte hinweg durch die skurrile Wallonie bis hin zu den verfallenen Industriegebieten an der Maas.
Ab und zu zogen an meinen Fenstern fauchende, dröhnende belgische Dieselloks vorbei und brachten das Geschirr in der Küche zum klirren. Obwohl es auch mir bis ins Mark ging, liebte ich diese Bahnlinie, denn sie beflügelte meine Phantasie. Ich malte mir aus, wie es wäre, auf ihr mit einer Draisine zu rollen. Diese Draisine stellte ich mir simpel vor, vier Eisenbahnräder und über den Achsen eine hölzerne Plattform. Sie brauchte ja keinen Antrieb. Ich selbst trieb sie schreibend mit meiner Tastatur an, saß auf der Plattform und neben mir saß eine geheimnisvolle Frau, die ihr Gesicht in einer Kapuze versteckte.
Denn was nutzt alle Romantik, wenn man sie nicht mit jemandem teilen kann. So erklärt sich der seltsame Stil der Nachtschwärmertexte. Die imaginäre Mitfahrerin ist das literarische Du, das ständig angesprochen wird. Der Nachtschwärmer erfreute sich bald großer Beliebtheit, besonders bei den Leserinnen. Sie konnten sich ja einfach in die Rolle der nächtlichen Mitreisenden versetzen. Diese Form des interaktiven Schreibens und Lesens war etwas Neues, dessen Folgen ich nicht voraussehen konnte. Weil im Blog die Grenze zwischen Ich-Erzähler und Autor sich zu verwischen scheint, kommt es rasch zu Projektionen. Heute verwende ich das literarische Du nur noch vorsichtig und selten. Als ich im Jahr 2014 das Manuskript aller Nachtschwärmertexte gesichtet habe, um daraus ein E-Book zu machen, fiel mir auf, dass sich mein Schreibstil über die Jahre verändert hat. Die Texte gefallen mir aber immer noch, obwohl ich die meisten Folgen unter Graseinfluss geschrieben habe. Zwischen 2005 und 2014 lagen neun Jahre. Nach dieser Zeit erlaubt die Distanz zum eigenen Text eine nüchterne Einschätzung. Mit dem Nachtschwärmer habe ich mich sogar an die Neunerregel des römischen Dichters Horaz gehalten. „Neun Jahre werde es (das Manuskript) zurückgehalten, um zu prüfen, ob es etwas tauge.“ Anfangs war große Freude in der Verlagsabteilung von Teppichhaus Trithemius. Die Nachtschwärmer flatterte bis auf Platz 3 der Amazon-Bestsellerliste kostenloser E-Books. Leider brachen die Downloads ein, sobald das Buch etwas kostete. Seit kurzem gibt es Nachtschwärmer online als Buch – quasi offline 😉 – derzeit bei epubli,über den Buchhandel und durch Amazon. Schauen Sie selbst und bilden Sie sich ein Urteil über diesen Roman einer phantastischen Bildungsreise.
Super, daß das als Papieraussgabe erscheint, Du solltest Deine anderen e-Bücher auch noch in dieser Form veröffentlichen. Ich habe keinen e-book-reader, und am PC mag ich sie auch nicht lesen – ich könnte mir vorstellen, daß es auch anderen Leuten so geht. Ein Buch vermisse ich übrigens in der Liste Deiner Veröffentlichungen: Eine Sammlung Deiner Dialoge mit Frau Nettesheim. Hast Du mal darüber nachgedacht? Ich würde sie sofort kaufen – als Papierversion, versteht sich.
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Deine positive Reaktion freut mich, mein Lieber. Ich will gerne weiter fleißig Bücher machen, jetzt wo sich die Chance quasi über Nacht ergeben hat. Aber die ganze Arbeit, und es ist ein mühevolles Geschäft, muss sich auch irgendwie auszahlen. Für die Nettesheim-Dialoge rechne ich mir nur geringe Marktchancen aus.
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