Kürzlich, ich wollte mich nicht beim Schreiben stören lassen, als aber zum dritten Mal etwas gegen mein Fenster knallte, stand ich auf und guckte nach. Die Straße war leer, und gerade wollte ich mich wieder hinsetzen, da hüpfte aus dem Geäst vor dem Fenster eine Meise, flog stracks auf das Fenster zu, knallte gegen die Scheibe und drehte wieder ab. Nanu? Sind die Meisen etwa an der Welt irregeworden? Ausgerechnet vor meinem Fenster? Da erinnerte ich mich an Berichte über Tapetenfressende Vögel, die der Göttinger Sagenforscher Rolf Wilhelm Brednich in seine Sammlung moderner Sagen aufgenommen hatte (Die Maus im Jumbo-Jet; München 1991).
Als Quelle gab er zwei Zeitungsberichte an, aus dem Erlanger Tageblatt vom 24./26.12.1979 und den Erlanger Nachrichten vom 9.1.1981. Variante a: In einer Siedlung in Marktheidenfeld im Landkreis Main-Spessart hätten sich Kohlmeisen und Spatzen auf Tapeten spezialisiert und würden bei geöffneten Fenstern jede Gelegenheit nutzen, die Wandverkleidung abzureißen. Variante b: Wer hungrige Vögel im Winter nicht füttere, könne eine böse Überraschung erleben, wie Wohnungsinhaber in Coburg berichtet hätten. Auf der Suche nach dem für sie lebensnotwendigen Kalk seien die Tiere durch offene Fenster in die Wohnung geflogen und hätten erhebliche Schäden an den Tapeten angerichtet. Brednich bezweifelte die Wahrheit der Berichte mit dem Argument, dass sie ausgerechnet im Winter erschienen waren, wenn die Fenster meistens geschlossen sind.
Im Folgeband (Das Huhn mit dem Gipsbein; München 1993) musste Brednich sich korrigieren. Inzwischen hätten ihm Leser an Eides Statt versichert, sie hätten Meisen beobachtet, die Tapeten und Kalk von den Wänden picken. Eine ähnliche Beobachtung habe ich in den 1990-er Jahren auf dem Parkplatz eines Supermarktes gemacht, während ich im Auto saß. Eine ganze Schar von Meisen hatte es auf eine Wand abgesehen, flogen sie beständig an und pickten mit großem Geschick den Kalk auf.
Tapeten abzureißen gehört zu den eher unbelibten Tätigkeiten bei einer Renovierung. Da wäre es doch eine gute (Geschäfts-)Idee, jede Menge Meisen zu züchten, die so etwas sehr gern erledigen. Oder?
Oder hab ich jetzt eine Meise?
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Ich finde auch, wir sollten die Meisen domistizieren Ich kann sie mir schon mit Anstreicherlatzhose und aus Zeitungspapier gefaltetem Hut vorstellen.
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Lieber Jules, ohne das Wetter in Hannover zu kennen, bin ich versucht dich zu bitten, das Fenster zu öffnen. Die armen Meisen 😉 Dafür bin ich auch bereit dir zu versichern, dass nicht nur die Meisen, den Kalk ausschließlich an den Wänden vermuten.
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Liebe Mitzi,
es ist überaus freundlich von dir zu bestätigen, dass bei mir der Kalk noch nicht rieselt. Derzeit ist es in Hannover echt zu kalt für ein dauerhaft geöffnetes Fenster. Der Schneesturm hat aber schon ein bisschen nachgelassen 😉
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Du hast ja Recht, lieber Jules. Die Vögel werden es schon lernen, dass ihnen wiederholtes gegen die Scheibe nicht gut tun. Es ist recht rücksichtslos von mir, deine Gesundheit mit meiner Bitte aufs Spiel zu setzen. Entschuldige, bitte.
…
…
…vielleicht könnte man das Fenster kippen….;)
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Die Beobachtung von Spatzen, welche besonders gern an schon leicht bröseligen Stellen von mit Kalkmörtel verputzten Wänden herumpicken, wirkt auf mich seit Alfred Hitchcock bedrohlich. Wer weiß, was die noch so alles vorhaben.
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Von Spatzen weiß ich es nicht, nur, dass sie immer seltener werden. In meiner Kindheit auf dem Land gab es soviele, dass man bedenkenlos mit dem Luftgewehr drauf geschossen hat. Die Bedrohung ist also eher umgekehrt.
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»Territoriale Luftraumverteidigung« – Warum Meisen im Frühjahr gegen Fensterscheiben zu semmeln pflegen:
Ende April, Anfang Mai beginnt die Brutzeit der Meisen. Nun erblicken die Meisen in ihrem eigenen Spiegelbild in der Fensterscheibe einen vermeintlichen Rivalen und fliegen stracks darauf zu, um ihn aus ihrem Brutrevier zu vertreiben – nach der Devise: wer zuerst bremst, verliert!
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Das gibt es auch, wie hier https://bfvhh.wordpress.com/bfv/voegel-und-fensterscheiben/ zu lesen, setzt aber voraus, dass starke Sonneneinstrahlung den Spiegeleffekt erzeugt.
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Dem Maulwurf und den Wühlmäusen haben wir gestattet, unseren Rasen in eine Hügellandschaft umzugestalten. Die Grenze unserer Belastbarkeit ist erreicht, Putz und Tapeten werden verteidigt. Allerdings sind unsere Wände weiß, vielleicht hast du ja ein hübsches Blümchenmuster, das den Nestbautrieb stärker anregt.
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Meine Wände sind weiß und verheißen Kalk. Maulwurf und Wühlmaus halten sich vermutlich bei dir auf. Hier haben sie noch nie ans Fenster geklopft.
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Es wäre ein weiteres Beispiel für die Anpassung von Wildtieren an die von Menschen geprägte Welt. Wenn allerdings der Maulwurf klopft, ziehe ich hier weg.
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Ich selbst habe letztes Jahr einen Specht an einer Hauswand klopfen sehen, statt sich mit einem Baum zu vergnügen. Vielleicht deshalb auch der Spruch: der hat einen Klopfer … 🙂
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Dieser Specht könnte sich mit Jules Meise (bitte nicht falsch verstehen, lieber Jules…), die Tapeten abreisst, zu einem StartUp zusammentun: Fa. Pick & Klopf.
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Jaja, keinen Gag auslassen, lieber Lo. Ich kann dein Griemeln förmlich sehen, wie du von „Jules Meise“ schreibst.
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Das ist unbeabsichtigt geschehen, aber als es da so geschrieben war, hat sich so ein kleines „Griemeln“ nicht ganz vermeiden lassen. Insofern war mir der eingeklammerte Hinweis wichtig.
Lieben Gruß!
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Ja das stimmt. Wir wohnen hier seit 20 Jahren. Seit letztem Jahr fliegen Meisen aufs angekippte Fenster und picken oben die Tapete ab. Nun hatten wir neu tapeziert, eine Weile war Ruhe, jetzt saß eine auf dem Bett, flkg dann hinaus und heute sehen wir wieder kaputte Tapete.
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