Volontär Schmocks Rundumblick April

Zwischen Aachen und Jülich liegt der Ort Langweiler. Immer, wenn ich bei meinen Trainingsfahrten durch das stille Dorf rollte, ich war dann meistens auf dem Rückweg und redlich müde, habe ich mir zu meiner Erquickung eine Gemeinderatssitzung vorgestellt, die vom Bürgermeister eröffnet wird mit den Worten: „Guten Abend, liebe Langweiler!“

Wie begrüßt der Bürgermeister wohl die Einwohner von Haßloch? „Liebe Haßlöcher?“ Ein Haßlocher möchte ich ehrlich gesagt nicht sein. Ich würde mich überall schämen deshalb, außer natürlich in Haßloch. Da weiß man vermutlich, dass Haßloch nicht so schlimm ist wie es klingt, jedenfalls nicht schlimmer als Pforzheim, Tuntenhausen oder Fickmühlen. Haß in Haßloch stammt etymologisch vom Haselstrauch ab, einer Pflanze, die allerdings von Pollenallergikern zu Recht gehasst wird. Haßlocher sind wahrscheinlich echte Langweiler, aber sehr wichtig in einer Kultur, die das Durchschnittliche liebt, quasi verehrt wie die unsrige.

Haßlocher sind so durchschnittlich, dass die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) das Haßloch zum Testmarkt erhoben hat. Hier wird jedes Produkt vor seiner Markteinführung getestet. Was die 19.000 Haßlocher mögen, mögen alle anderen Deutschen auch. Als es beim Discounter sprechende Personenwaagen zu kaufen gab, hatten offenbar viele Haßlocher Singles danach verlangt – damit sie am Wochenende mal einen zum Reden haben. Neuerdings haben Haßlocher vermutlich nach Personenwaagen mit USB-Anschluss verlangt. Deshalb hatte ein Discounter sie im Angebot. Ich hatte schon mal eine solche Waage im Einkaufswagen, hab sie dann aber ins Regal zurückgelegt, denn ich dachte: „Am Ende will die blöde Waage dauernd ins Internet.“ Dann will ich mich einfach nur wiegen, aber meine Waage ist im Internet, macht ein Update und meldet ganz nebenher meine gesammelten Daten an die GfK weiter. Um das gut zu finden, muss man vermutlich ein echter Haßlocher sein.

Schon immer waren Waagen unverschämt. Ich erinnere an die kommerziellen Waagen in den Bahnhofshallen, die den arglosen Reisenden belästigt haben mit der apodiktischen Forderung: “Prüfe dein Gewicht!” Wer sich einfangen ließ, bekam eine Reihe weiterer Befehle. Fehlt noch “Arschbacken zusammen und Salutieren!” Zum Dank grunzte die Waage wie ein Schwein, wenn man sich draufgestellt hat. Das Geheimnis ihres Erfolgs.

13 Kommentare zu “Volontär Schmocks Rundumblick April

  1. In der Grafschaft Bentheim liegt das Dorf Ringe. Da müsste der Ortsbürgermeister die Versammelten mit „Liebe Ringerinnen und Ringer!“ begrüßen. Haßloch kenne ich aus dem Unterricht, wenn es um das Thema Marketing und Marktforschung geht.
    Eine dieser öffentlichen Personenwaagen habe ich kürzlich noch gesehen, natürlich nur noch als Ausstellungsstück, Einwurf 10 Pfennige. Grunzen? Wußte ich nicht. Aber wäre natürlich ein guter Grund für jedes Kind gewesen, möglichst oft auf diese Waage steigen zu wollen. Ich glaube, von diesen ganzen Kleingeldgeschäften mit Münzeinwurf haben nur die Ferngläser an touristisch interessanten Punkten bis heute durchgehalten.

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    • Noch ein Wort, das mit der Sache verschwindet: Das „Groschengrab“. Vermutlich schlucken die Aussichtsfernrohre 50-Cent-Münzen? Die Bildung „Ringer“ zu Ringe ist ja korrekt. Dagegen müsste der Einwohner von Langweiler „Langweilerer“ bzw. „Langweilererin“ heißen 😉
      Wie heißt eigentlich dein Unterrichtsfach, „Betriebswirtschaftslehre?“

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      • Ich arbeite nur noch ein paar Stunden pro Woche in kaufmännischen Umschulungen. Das Berufsbild „Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement“ ist noch ziemlich neu und kennt keine Fächer mehr, stattdessen unterrichten wir Lernfelder. Ich bin mit den Feldern 1 & 2 dabei, das sind bürowirtschaftliche, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Inhalte.

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  2. Pingback: Weingeist, Wein und Weinen – Deutsche Demokratie

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