Alles durcheinander – findet Frau Nettesheim

Frau Nettesheim
Hier sieht es ja aus wie bei Hempels unterm Sofa.

Trithemius

Kein Lebender hat je unter das Sofa von Hempels geguckt, Frau Nettesheim, also trifft mich ihre Bemerkung nicht.

Frau Nettesheim

Wollen Sie mir eine sophistische Diskussion aufzwingen? Ich meine das Papierchaos hier.

Trithemius
Ja, mir sind die Dinge ein wenig entglitten, weil ich mit Schreiben beschäftigt war. Wenn das Durcheinander nicht mehr mit 30 Handgriffen zu beseitigen ist, kapituliere ich erst einmal und lasse es eine Weile zu, bis die mahnende Stimme mich zum Handeln veranlasst.

Frau Nettesheim
Dann ist ihre mahnende Stimme vermutlich heiser, weil sie seit Tagen auf taube Ohren stößt.

Trithemius
Hat sie sich deshalb Verstärkung durch Sie geholt, Frau Nettesheim?

Frau Nettesheim

Nein, das ist letztlich Ihre Sache. Meine Bemerkung war ein spontaner Ausruf des Schreckens. Wenn Sie sich in dem Durcheinander wohlfühlen …

Trithemius
Ich fühle mich nicht wohl darin. Und wenn ich auch noch nicht zur Tat geschritten bin, so mache ich mir seit gestern schon Gedanken darüber, was es damit auf sich hat und wie ich es am besten beseitige.

Frau Nettesheim

Und? Müssen Sie zuerst noch eine Zeichnung davon machen, bevor sie tätig werden?

Trithemius
Mich interessiert die Theorie des Unzulänglichen, Frau Nettesheim. Zum Unzulänglichen gehören verschiedene Erscheinungen, und sie alle unterliegen dem gleichen Prinzip, das ich zu Ihrer Erbauung „Hempel-Effekt“ nennen möchte. Jeder Zustand des Unzulänglichen im menschlichen Dasein zieht dem jeweils Betroffenen Energie ab, und zwar im Quadrat zur Belastung durch den als unzulänglich empfundenen Umstand. Wenn ein solcher Zustand nicht mehr mit 30 Handgriffen beseitigt werden kann, reicht die Energie des Menschen nur noch dazu, den augenblicklichen Zustand zu halten, nicht aber, ihn zu beseitigen.

Frau Nettesheim

Selten habe ich erlebt, dass einer sich auf so komplizierte Weise darum zu drücken versucht, in seinem Umfeld Ordnung zu machen. Jetzt brauche ich erst einmal einen Kaffee.

Trithemius

Leider ist keine Tasse mehr sauber, Frau Nettesheim.

12 Kommentare zu “Alles durcheinander – findet Frau Nettesheim

  1. Jeder Zustand des Unzulänglichen im menschlichen Dasein zieht dem jeweils Betroffenen Energie ab, und zwar im Quadrat zur Belastung durch den als unzulänglich empfundenen Umstand. Wenn ein solcher Zustand nicht mehr mit 30 Handgriffen beseitigt werden kann, reicht die Energie des Menschen nur noch dazu, den augenblicklichen Zustand zu halten, nicht aber, ihn zu beseitigen.

    Genau so ist es, jedenfalls deckt es sich mit meinen Erfahrungen. Ob man als Grenze nun 30 Handgriffe ansetzt oder 50 oder 20, wird von Persönlichkeit, Tagesform und äußeren Umständen abhängen, aber das Prinzip dürfte stimmen. Die Schwelle, mit dem Aufräumen anzufangen, steigt (vermutlich auch quadratisch) mit der Größe des aufzuräumenden Haufens.

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  2. Das Unzulängliche wächst sich oft genug zum Unzugänglichen aus, und spätestens dann gibt’s nur zwei Möglichkeiten: frei nach Goethe das Weite suchen und das angerichtete Chaos sich selbst überlassen, oder den Angriff. Letzterer gelingt mir, indem ich einen Trick anwende, bzw. meiner Maxime folge, dass vieles gelingen kann, schafft man es nur, sich selbst zu überlisten. In diesem Fall heißt das, das eher beiläufig zu erledigende Aufräumen in den Projektstatus aufwerten, ihm auf der imaginären Lebenskarte einen prominenten Platz frei räumen (buchstäblich!), also z. B. sich einen ganzen Tag dafür reservieren und überhaupt eine gehörige Umpolung im Kopf vornehmen. Ist das erst mal getan, kann ich’s regelmäßig kaum erwarten, zum Angriff überzugehen. Belohnung garantiert! (Menschen, die regelmäßig „nebenher“ aufräumen, wissen eine aufgeräumte Arbeitsatmosphäre gar nicht zu schätzen)

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    • Wenn ich morgens aufwache, gehe ich in Gedanken durch, was am Tag zu erledigen ist. Ich fürchte, wenn ich dann ein Großprojekt Aufräumen vorm Bauch hätte, käme ich gar nicht hoch 😉 Aber bei dir scheints zu klappen, also empfehlen wir es weiter.

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  3. Selbst wenn ich mich intellektuell mit dem Aufräumen beschäftige, macht es mir dennoch nicht mehr Spass! Ich plädiere für Minimalismus…das ist eine win-win situation;-)

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        • Außer Büchern besitze ich nicht viele Dinge, Museales sowieso nicht. Vor einiger Zeit haben mein ältester Sohn und seine Freundin zwei Tage bei mir aussortiert, Seither habe ich wieder Platz in den Schränken und ich fühle mich nachhaltig befreit. Was mir manchmal entgleitet, sind Papiere, Materialien, die ich zum Schreiben benötige wie bei der Kulturgeschichte der Typografie. Da liegen Karteikarten herum und müssen wieder richtig eingeordnet werden, zu scannende Bilder, alles kleinteiliger Kram, der einzeln angefasst werden muss.

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          • Icjh habe mich inzwischen auch von vielen Büchern getrennt, was mir am schwersten fiel. Du kannst ja Pseudo aufräumen, eine Kiste mit“ zu aufräumende Dinge“ oder themenmässig vorsortieren in durchsichtigen Einschiebordnern…das geht schnelelr und man verliert nicht den Überblick!
            Mein Ziel ist eines Tages, alles in 2 Koffer zu bekommen, davon bin ich aber noch weit entfernt…aber mein herz hängt nicht mehr an vielen Dingen. Früher hing es an jedem Buch, das ich aber eh nie ein 2. Mal gelesen habe.

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  4. Obwohl ich recht ordentlich bin, gibt es in meinem Umfeld Chaos-Inseln. Da reichen keine 30 Handgriffe. Ich werde also, lieber Jules, versuchen den Zustand zu halten. Dank dir, weiß ich nun, dass es ausreicht.

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