Schande! Zensiert von der kosmischen Registratur

Absolut rätselhaft ist mir, dass ein Text, an dem ich gestern viele Stunden geschrieben habe, heute nicht mehr auffindbar ist. Die Irritation begann schon damit, dass das Programm Open Office Writer heute morgen eine neue Registrierung von mir verlangte. Doch dass der Text einfach weg ist … Gestern, als ich müde wurde, sagte eine innere Stimme, ich könne, was ich habe, doch schon einmal ins Teestübchen hochladen. Ich habe nicht auf diese Stimme gehört. Zur Strafe muss ich jetzt ganz von vorne anfangen. Dabei war der Text nicht etwa subversiv. Er stellte auch keine kosmischen Gesetze in Frage, so dass man verstehen könnte, wenn Beamte in der kosmischen Registratur beschlossen hätten, ihn aus dem Bewusstsein der Menschheit zu tilgen. Dazu war, was ich aufgeschrieben hatte, einfach zu gering. Natürlich könnte man denken, dass es zwar für die Beamten der kosmischen Registratur zu gering war. Aber es gibt ja noch die Unterbeamten und die Unterunterbeamten. Die Geringsten in der Hierarchie beschäftigen sich naturgemäß mit geringen Dingen und schon die kleinste, ja, feinste Unbotmäßigkeit in einem Text dürfte ihnen missfallen, und sie würden ihn deshalb aus dem Verkehr ziehen.

Die untersten der Unterbeamten in der kosmischen Registratur sind freilich nicht sehr mächtig. Sie können zwar einen Text verschwinden lassen, der so gut wie aus Nichts besteht, nämlich nur aus Zuständen von gesetzten Bits in einem digitalen Speichermodul. In meinem Kopf existiert der Text aber noch. Zumindest geistert da die Vorstellung, ich hätte gestern einen Text verfasst, wofür ich selbstverständlich keinen Beweis mehr habe, nur ein paar herumliegende Karteikarten, deren Notizen ich genutzt und Bücher, in denen ich nach Abbildungen gesucht habe. Und wie ein gestürzter Radfahrer unbedingt sofort nach dem Sturz wieder aufs Rad steigen sollte, damit sich keine Scheu vor den Gefahren des Radfahrens in ihm verfestigt, werde ich erneut aufschreiben, was Unterbeamte versucht haben, nicht existent werden zu lassen. Es dauert freilich noch. Man soll mir aber nicht nachsagen, ich würde eine neue Folge der Kulturgeschichte für den Folgetag versprechen, dann aber nicht veröffentlichen.

22 Kommentare zu “Schande! Zensiert von der kosmischen Registratur

  1. Das Universum strebt, soweit man sich dort an die menschengemachten Gesetze zu halten verpflichtet fühlen sollte, nach Entropie, nach Unordnung. Dein Text widerspricht grundlegend diesem Streben, denn informationstheoretisch nimmt die Entropie ab, je länger ein Text wird, je mehr Information zur Verfügung steht. Kein Wunder also, dass ein Beitrag, der sich gänzlich unverschlüsselt dem Abbau von Wissenslücken widmet und eine Reihe ähnlicher Beiträge fortsetzt, von den zuständigen Beamten nicht geduldet werden kann.

    Gefällt 5 Personen

    • Doch, auf meiner Festplatte. Normalerweise startet Open Office von einem nicht korrekt gespeicherten Text die Dokumentenwiederherstellung, nicht aber, wenn das Programm mich nicht mehr erkennt und eine neue Registrierung verlangt.

      Like

  2. Zusätzlich hat man sich an Deiner Lebenszeit vergriffen!
    Das ist unverzeihlich und nicht mit Geld wieder gut zu machen.
    Und ich bin mir sicher: Herrn Trump wüsste schon, wer es war.
    Ich wünsche Dir ein glückliches Händchen bei der Rekonstruktion.

    Gefällt 2 Personen

    • Nein, Herr Trump wüsste es nicht. Woher auch, er misstraut ja seinen Schlapphüten. Obwohl, Herr Trump weiß eigentlich alles, bzw. was er sagt ist automatisch wahr. Er hat das rhetorische Äquivalent des Automatische-Vorfahrt-Mercedessterns auf der Nase und alles andere sind fake news* . Egal.

      Der Verlust eines eigentlich schon geschriebenen Textes an die Launen der Software ist natürlich ärgerlich. Ich habe eher das umgekehrte Problem – Libre Office (das ist, heißt es, die bessere Version von Open Office) kommt mir ständig mit der Wiederherstellung, obwohl ich ordnungsgemäß gesichert und das Programm geordnet geschlossen habe.

      * – Um kurz auf die Typografienusschale Bezug zu nehmen (konkret: Folge 5): Ich fand es irgendwie gut, dass Fremdwörter in Frakturtexten in Antiqua gesetzt wurden und direkt erkennbar waren; ich frage mich eben, ob meine Angewohnheit, Fremdwörter manchmal kursiv zu formatieren, da ihren Ursprung hat.

      Gefällt 1 Person

  3. Wenn wir bedenken, dass auf dem weiten Weg zur ziemlich entlegenen Registraturstelle draußen im All aus einem „kosmischen“ Beamten durch den geringsten Übertragungsfehler sehr leicht ein „komischer“ Beamte werden kann, wobei wir die allseits berüchtigte Leseschwäche der Unterunterunterdiener einmal beiseite lassen, die ein korrektes „kosmisch“ gern in ein fehlerhaftes „komisch“ verwandelt, dann sollten, nein, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn irdische Texte, und seien sie noch so harmlos, der Zensur durch den gestrengen Oberüberregistrator anheimfallen und noch an Ort und Stelle galaktisch geschreddert werden.
    Zum Glück hast du deine Karteikarten nicht mitgeschickt …

    Gefällt 3 Personen

    • Das überzeugt mich, lieber Herr Ösi. Dass die Grenze zwischen dem Kosmischen und dem Komischen so hauchdünn ist, sollten wir öfter zur Erklärung heranziehen. Meine Karteikarten sind zum Glück nicht flüchtig wie ein digitaler Text. Es gibt diese speziellen zur Typografie schon lang. An der Handschrift zu sehen, habe ich sie in den 1980-er Jahren beschriftet. Zu dieser Zeit schrieb ich nämlich die vereinfachte Ausgangsschrift.

      Gefällt 1 Person

  4. Du kannst in OO einstellen, dass alle x Minuten eine Backup-Version gespeichert wird, dann gibt’s immer 2 Versionen. Falls Du das – wahrscheinlich – nicht eingestellt hast, hilft es dir jetzt natürlich nicht, aber vllt. in Zukunft ;-). Oftmals bleiben in Temporären Ordnern auch Dateien übrig; dass gar nix mehr da ist, halte ich für unwahrscheinlich. OO bzw. das Filesystem hat nur die Info verloren, wo das Dokument ist, ggf. hat es einen anderen kryptischen Namen oder Endung. Suche mal nach einem Stichwort über die Windows-Suche (ab WIN 7). VG Willi

    Gefällt 3 Personen

  5. Vielleicht hat da einer von den Unterbeamten an mich gedacht: Er wollte mir keinen weiteren Teil zumuten, bevor ich nicht die ersten vier Teile gelesen habe. Das wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn soeben habe ich das mit Gewinn erledigt und könnte sofort noch mehr Teile anschließen. Notiz an die kosmische Regristratur: Übertriebene Rücksichtnahme zukünftig bitte vermeiden.

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..