Apokalyptisches zum Geburtstag von Galileo Galilei

„Und sie bewegt sich doch!“

schmocks-rundumblickNicht schlecht staunte man vor einigen Jahren bei der belgischen astronomischen Gesellschaft über das Ergebnis einer Umfrage unter Besuchern ihrer Sternwarte: Jeder 10. Flame glaubt, die Sonne drehe sich um die Erde, hegt also ein präfaktisches geozentrisches Weltbild. So gesehen war es ganz schön schlau von Galileo Galilei, vor der Inquisition nicht auf dem Faktum bestanden zu haben, die Erde drehe sich um die Sonne. Warum sollte er sich auch auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, wenn den Leuten noch 400 Jahre später egal ist, wer sich jetzt um wen dreht und warum.

Galileo (* 15. Februar 1564 – † 29. Dezember 1641) darf übrigens nach lebenslanger Haft seit November 1992 wieder in die Kirche, wie der damalige Papst Johannes Paul II. als Ergebnis der 13-jährigen Beratung einer eigens eingesetzten Kommission verkündigte. Dagegen hat die südkoreanische Kirche „Mission für das jüngste Gericht“, sich unmittelbar aufgelöst, nachdem der für den 28. OKtober 1992 angekündete Weltuntergang nicht eingetroffen war. Vielleicht hätte man auch erst 360 Jahre warten oder wenigstens 13 Jahre beraten sollen, bevor man zugab: „Hallo Leute, wir haben uns leider vertan.“

Am häufigsten geht die Welt übrigens in Österreich unter, wie eine Blütenlese beim Kollegen Noemix zeigt. Der nächste Weltuntergang ist am 15. 10. 2017. In Deutschland besang das Golgowski-Quartett/Die Lustigen Jungs zu Karneval 1954 den Weltuntergang und landeten mit „Am 30. Mai ist der Weltuntergang“ einen Nummer-1-Hit. Der letzte Weltuntergangshype wurde im Jahr 2008 durch die Nachricht ausgelöst, dass am Kernforschungscentrum CERN mit dem Large Hadron Collider (LHC) der größte Teilchenbeschleuniger der Welt in Betrieb gehen sollte. Die Sorge, beim Zusammenprall von Elementarteilchen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit könnten Schwarze Löcher entstehen, führte sogar zu einer Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im damaligen Teppichhaus Trithemius war das folgende Gif zu sehen, das mit der Plattform Blog.de tatsächlich in einem Schwarzen Loch versunken ist. Fürs Teestübchen gehoben:

Gif: Jvdl - Erstveröffentlichung 02.09.2008

Fotos, Text und Gif: Jvdl – Erstveröffentlichung 02.09.2008

Der Weltuntergang habe längst stattgefunden, mutmaßt Teestübchenherausgeber JvdL. „Die Welt ist in den Abtritt gefallen“, stellte er fest, nachdem er sich durch die Angebote des Privatfernsehens gezappt hatte.

16 Kommentare zu “Apokalyptisches zum Geburtstag von Galileo Galilei

  1. Weltuntergangsstimmungsmusik, eine sehr angemessene Reaktion. Auf der Titanic soll ja auch die Kapelle gespielt haben. Aber so ein Weltuntergang dauert ja, da braucht man ein ordentliches Repertoire, damit es nicht langweilig wird und die Leute vorzeitig nach Hause gehen. Ob die Welt nun rund oder eckig ist, sich um die Sonne oder überhaupt nicht dreht, das interessiert doch nur die Fachwissenschaft. Für meine Urlaubspläne ist das ja eher unwichtig. Die ganzen Naturwissenschaften sind ja nicht für den Durchschnittsbürger gebastelt worden. Wir kommen mit dem Glauben ganz gut aus, wenn nicht an Gott, dann eben an Darwin oder Einstein.

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    • Du hast Recht, das naturwissenschaftliche Weltbild bedeutet für uns wenig. Ich musste nur daran denken, welches Gewese neuerdings um das Postfaktische gemacht wird. Dabei sind viele Zeitgenossen auf dem Stand des Präfaktischen, und das postfaktische Weltbild musste man Jahrhunderte haben, wenn man nicht mit der Inquisition zu tun haben wollte. Ist ja noch heute so, dass wer als angehender Religionslehrer oder Priester nicht an die „unbefleckte Empfängnis“ glaubt, bekommt die missio canonica, die katholische Lehrerlaubnis, nicht.

      Die richtige Weltuntergangsmusik: Apocalyptica – Path

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      • Ich verstehe die Polemik gegen den Gebrauch des Begriffs „postfaktisch“ sehr gut, schließlich wurde immer schon gelogen dass sich die Balken biegen, und zwar von unten und von oben. Neu scheinen mir aber doch Dreistigkeit und Ausmaß, mit dem dies geschieht. Und letztlich meint „postfaktisch“ ja das Eingeständnis des Scheitern eines Projektes namens „Aufklärung“, dem sich doch die mehr oder weniger vernunftbegabte Welt verschrieben hatte. Die Kirche freilich könnte man, wenn sie nicht über so viel Macht verfügte, getrost unter Folklore verbuchen.

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        • Was konkret meinst du mit „Projekt“ Aufklärung? Ich fürchte, es hat immer nur kleine Projekte für Privilegierte gegeben.
          Nur zwei Beispiele:
          1872 schreibt der preußische Konsistorialrat Münchmeyer:

          “Wo keine Lust zum Lesen ist, rege man sie nicht an. Es ist nicht zu wünschen, dass der Bauer Zeitungen liest, auch das Verlangen nach guter Lektüre soll, wenigstens unter Landleuten, nicht hervorgerufen werden.”

          Im Jahr 1878 schreibt Staatsminister Hofmann anlässlich der ersten Beratung des Gesetzentwurfes zur Abwehr sozialdemokratischer Ausschreitungen im Reichstag:

          „Wie leicht wird ferner all der gute Samen, den die Schule in das jugendliche Gemüt gestreut hat, zerstört und ausgerottet, wenn der junge Mann von dem Lesen, das er in der Schule gelernt hat, in der Weise Gebrauch macht, dass er sozialdemokratische Blätter studiert, wenn er etwa von seiner Fähigkeit im Schreiben (…) Gebrauch macht, um selbst Artikel in sozialistischen Blättern zu schreiben (…)“

          Zuletzt war die Einführung des Privatfernsehens ein gigantisches Verblödungsprojekt für die breite Masse. Zusammen mit der Verkürzung der Schulzeit und Verschulung des Studiums haben wir Projekte zur Förderung der Unbildung oder Scheinbildung, vom verheerenden Einfluss der Religionen gar nicht zu sprechen.

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          • Das „Projekt Aufklärung“ meinte keine konkrete Aktion sondern eher im übertragenen Sinn den Gedanken, dass es vielleicht seit der Aufklärung im europäisch geprägten Kulturkreis innerhalb einer wie auch immer „gebildeten“ Schicht den Gedanken gibt, durch allmähliches Anreichern von Wissen einer insgesamt gerechteren Gesellschaftsordnung entgegen zu streben und dabei die während der französischen Revolution ausgerufenen Ideale im Blick zu haben. Das mag jetzt naiv und unbeholfen klingen, aber mein Bewußtsein hat diese Vorstellung jedenfalls geprägt. Die von dir beschriebenen Phänomene sehe ich natürlich auch, und letztendlich läuft wohl alles, was man auf eine politische Ebene herunterbricht, auf die allseits bekannten Macht- und Interessenspielchen hinaus. Dennoch sehe ich mich nicht bei denen, die sich angesichts von Trumps Aufstieg zunächst einmal beeilten darauf hinzuweisen, dass seine Vorgänger schließlich auch nicht besser gewesen seien. Für mich ist mit Trump definitiv eine Schwelle überschritten. „Postfaktisch“ ist vielleicht ein zu unscharfer Begriff dafür, aber er meint im Kern ja die Überwindung des Fakts/der Wahrheit als ein vom Unwahren potentiell Trennbares. Wie Gesellschaften sich in Zukunft organisieren können, ohne dass eine Grundakzeptanz von „Eliten“ als im weitesten Sinne Träger von Wissen und daraus resultierender Legitimation zur Herrschaft besteht, ist für mich noch überhaupt nicht absehbar.

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  2. Das blöde an einer datumsgebundenen Prophezeiung für den Weltuntergang ist, dass du dich unweigerlich zum Affen machst, solltest du mit deiner Vorhersage auch nur einen einzigen Tag daneben liegen … du aber gleichwohl für eine richtige Prognose naturgemäß keinerlei Applaus mehr erwarten darfst.
    Ausgehend von dieser Diskrepanz habe ich den Weltuntergang in mühevoller Kleinarbeit für den 24. September 2015 berechnet und heimse die verdienten Ovationen für meine bahnbrechende Erkenntnis noch zu Lebzeiten ein … 🙂

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    • Schon als ich bei Deinem Landsmann Nömix die Blütenlese zu den Weltuntergängen aus der österreichischen Presse las, dachte ich, dass man sich in Österreich damit auskennt wie in keinem anderen Land. Dein findiger Aufsatz, lieber Herr Ösi,schlägt dem Ganzen die Krone ins Gesicht. 😉

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  3. Herrlich 😂…und dazu geht mir gegenüber noch die Sonne auf 😉. Beim Weltuntergangstheater setz ich mich trotzdem weiter nach hinten, die vorderen Reihen werden ja meist beim Einsetzen von Pyro und Wasser in Mitleidenschaft gezogen.
    Liebe Grüße von Andrea aus der Beobachterposition❤️

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  4. Pingback: Seit 25 Jahren darf Galileo Galilei wieder in die Kirche

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