„Darauf dass die Schlamperei Ihnen langweilig werden sollte, darauf vertraue ich nicht; wer die Schlamperei einmal hat, dem wird sie nicht langweilig, das weiss ich aus eigener Erfahrung“,
schrieb Franz Kafka im November 1912 an seinen Literatur-Agenten Willy Haas“, und unterstellte dabei, dass mit „Schlamperei“ einiges an Kurzweil zu erleben wäre, eine Idee, auf die man erst mal kommen muss. Die von Kafka gemeinte „Schlamperei“ heißt neudeutsch Prokrastination oder ungeschickt eingedeutscht „Aufschieberitis.“ Langweilig wird sie nie, denn Aufgeschobenes pflegt sich ja nicht zu verflüchtigen, sondern weckt einen kleinen Kobold, der als ungebetener Gast in den Hinterkopf einzieht und einen Tag für Tag lauter piesackt, man müsse jetzt aber endlich zur Tat schreiten. Der die „Schlamperei hat“ wird jetzt bockig, denn je länger er aufschiebt, je lauter der Kobold randaliert, desto schwerer fällt der Angang.
An solchen Tagen spazieren tausend Gedanken an unerledigte Dinge über die innere Bühne, aber ein richtiges Stück wird nicht aufgeführt. Es bleibt nichts als den Gedanken zuzusehen, wie sie auf der einen Seite aus der Dekoration kommen, um auf der anderen hinter dem Vorhang zu verschwinden. Ja, und die nervigste Figur, die immer wieder auf der Bühne tritt und alle vor sich hertreibt, ist der Kobold. Man kann ihn kaum noch ansehen, denn er wird mit jedem Durchlauf lästiger.
Ab mit dem Pack! Wir rufen Szenen aus alten Slapstick-Filmen auf. Konflikte werden da mit einem kräftigen Arschtritt gelöst. Was ist? Ich hätte „Arsch“ geschrieben? Auf der inneren Bühne gibt es keine Sprachpolizei. „Herr Inspizient, Sie dürfen den Kobold jetzt wieder auf die Bühne lassen.“ Mentale Arschtritte können auch befreien.
Den eigenen Kardinalfehler solle man kennen, rät Balthasar Gracian in „Die Kunst der Weltklugheit“. Sei der Kardinalfehler erkannt und erfolgreich bekämpft, würden die anderen Fehler wie Dominosteine fallen. Dann ist man endlich der Mensch, der man schon immer mal sein wollte. Der hat gut reden, wenn sich doch soviel aufgestaut hat, was zu erledigen wäre. Also eins nach dem anderen abarbeiten. Nebenan im Teppichhaus ist endlich die 9. Folge von „Straße meiner Kindheit“ erschienen. Ich glaube, es regnet da.
Ich weiss gar nicht, was unangenehmer ist, die Prokrastination oder das ungute Gefühl, während man es durchlebt! Jedesmal danach, wenn ich mich entspanne, nehme ich mir fest vor, es nicht mehr so weit kommen zu lassen 😉 Liebe Grüße, Ann…..PS: Teil 9. war es wert, drauf zu warten!
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Du hast Recht, liebe Ann. Prokrastination zehrt an den Kräften. Man braucht dazu mehr Kraft als nötig wäre, eine Sache zeitig zu erledigen. Deshalb muss man immer auf der Hut sein, dass es erst gar nicht so weit kommt. Freut mich, dass dir Teil 9 gefallen hat. Hast du das Gebäude auf dem Foto erkannt?
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nein, ehrlich gesagt kenne ich die Ecke sowieso nicht, von der Du schreibst.
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Wieder so ein schönes und treffendes Bild: „Es bleibt nichts als den Gedanken zuzusehen, wie sie auf der einen Seite aus der Dekoration kommen, um auf der anderen hinter dem Vorhang zu verschwinden.“
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Dankeschön fürs Lob!
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Pünktlich am 1. Januar nehme ich eine riesige Schneeschaufel, egal ob es draußen schneit oder nicht, und hau damit dem Kobold solange auf den Schädel, bis dieser freiwillig für die Dauer eines ganzen Jahres verschwindet … 🙂
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Ein echter Befreiungsschlag also, prima, wenns immer gelingt.
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Stimmt.
Danke.
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Was meinst du?
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Ich meinte, dass Dein Text gerade im Moment auf mich sehr zutrifft – „Stimmt“.
Und „Danke“ – weil danke…
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Ach so, bitte gerne. Dieser Text über Prokrastination war Teil meiner eigenen Aufschieberitis, denn als ich ihn schrieb, beruhigte ich für kurze Zeit mein Gewissen, dass ich ja dabei wäre, etwas zu erledigen. Die Hauptsache erledigte ich erst heute.
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