Es erwischt die Besten – Rapper Ramon H. ist tot – Ein Nachruf von Volontär Hanno P. Schmock

Genau ein Jahr nach David Bowie ist am 10. Januar wieder ein Wegbereiter der Popkultur von uns gegangen. Ex-Bundespräsident Ramon Herzog ist tot. Viele loben ihn, aber vergessen oft das Beste. Das beste an ihm war lange Zeit nämlich seine Frau Christiane. Ach, die wunderbaren Zeiten, als First Lady Christiane Herzog im ersten deutschen Fernsehen (wo sonst?) eine Kochsendung hatte. Wir alle durften „Zu Gast bei Christiane Herzog“ sein und konnten sehen, wie sich Christiane von einem Sternekoch mit dem passenden Namen Koch die Möhrchen schrabben ließ. Es war ungemein erfrischend, wie Christiane Herzog klarzumachen verstand, was die Deutschen vergessen hatten, wo nämlich die Trennlinie verläuft zwischen Herrschaft und Dienstboten. „Herr Koch, die Kasserolle, bitte!“

Schon der neureiche Trimalchio des römischen Schriftstellers Petron erfreute sich bekanntlich daran, dass sein Koch auf den Namen Schneid hört. So konnte Trimalchio seinen Koch beim Namen rufen und gab ihm gleichzeitig den Befehl, den mit Früchten gefüllten Ochsen aufzuschneiden. In diesem Sinne war Christiane Herzogs Wahl des Kochgehilfen Otto Koch zwar nicht neu, und trotzdem nahezu genial. „Koch!” das war und ist: Name, Berufsbezeichnung und Befehl in einem Wort. Sparsamer kann man seine Dienstboten nicht anweisen. Leider ist Christiane Herzog schon einige Jahre tot, und so war da auch niemand mehr, der den kometenhaften Aufstieg der Köche im deutschen Fernsehen hätte bremsen können.

Ramon Herzog hat sich weder um Köche noch ums Kochen (transitiv) bemüht. Wenn der habilitierte Choleriker vor Wut kochte (intransitiv), war seine Stimme eher ein Knödeln, so angenehm fürs Ohr wie Harzer Käse für die Nase. Daher beschränkte er sich auf Sprechgesang. Sein berühmter knochentrockener Hiphop: „Durch Deutschland Muss Ein Ruck Gehen“ (1997), ruckelt so weiter: „Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.“ Wieviel er später von seinem jährlichen Ehrensold von gut 214.000 Euro an seine Dienstboten abgegeben hat, ist nicht bekannt. Vermutlich hat er deren „liebgewordenen Besitzstände“ vorbildlich auf den Mindestlohn herunter gekürzt. Sein Rap: „Wir predigen Wasser, aber trinken Wein, ihr Deppen!“, wurde von den Rundfunkanstalten nicht gespielt, feierte aber in Yachthäfen, auf exklusiven Golf- und Tennisplätzen und in anderen asozialen Kreisen große Erfolge. Herzog begründete mit „Durch Deutschland Muss Ein Ruck Gehen“ den Hauptstadt-Gangsta-Rap. Ihm folgte in direkter Tradition das Gangsta-Rapper-Duo Schröder/Fischer im Jahr 2002 mit den verstörenden Hits „Hartz IV“, „Hatch-Fonts, hehe“, „Studiengebühr“ und „Statt fördern fordern“, allesamt produziert von Liz Mohn und ihren Mannen an den goldenen Knöpfen der Bertelsmannstiftung.

„Wenn Ramon auch ein fucking One-Hit-Wonder war, sein bahnbrechender Einfluss auf uns kann gar nicht überschätzt werden“, grinst der sympathische Ganove Gerhard. „Ohne seinen Ruck-Rap hätten wir Hartz IV und all den Gangstaschrott niemals denken können.“ Das weiß auch Bankerboy Josef von der Hiphop-Formation Deutsche Bank, um den es nach den Hits „25 % Rendite“, „Systemrelevant“, „Finanzkrise“ und „Bankerrettung“ viel zu still geworden ist. Nur Angeela M., die einzige Frau im Kreis der Hauptstadt-Gangsta-Rapper konnte es nicht lassen, Wegbereiter Ramon zu dissen: „Jetzt geht es Deutschland wieder gut.“

28 Kommentare zu “Es erwischt die Besten – Rapper Ramon H. ist tot – Ein Nachruf von Volontär Hanno P. Schmock

  1. Lieber Jules, lieber Hanno P. Schmock,
    leider lässt sich nicht herausfinden, ob jemand namens Ruck jemals durch Deutschland gegangen ist. Wann ist er losgelaufen? Wo ist er gestartet? Wann ist er angekommen?
    War er allein unterwegs?
    Ich habe einmal etwas im Netz gestöbert.
    Zunächst bin ich der Frage: „Wie viele Rucks gibt es in Deutschland?“

    Bei GEOGEN (Quelle: http://legacy.stoepel.net/de/ ) heisst es:
    „Wenn man die Bevölkerungsdichte verrechnet, findet man die meisten Rucks in/im Landkreis Hildburghausen (TH), nämlich 384
    Fast verschwunden ist die Familie aus Kreisfreie Stadt Bremen, hier treten pro Million Einwohner die wenigsten auf.
    Die meisten Rucks findet man in/ im Landkreis Esslingen (BW), nämlich genau 65
    Etwas länger suchen muss man dagegen in/ im Altmarkkreis Salzwedel, hier wohnen die wenigsten: gerade einmal 1. “

    Nun wäre es auch wichtig, zu wissen: wie viele von den Rucks Autobesitzer sind, die gar nicht auf die Idee kommen würden, zu Fuß durch Deutschland zu gehen?

    Hier hilft als Quelle:
    https://www.welt-in-zahlen.de/laendervergleich.phtml?indicator=126&rc=44

    Demnach kommen 573,03 Autos auf 1.000 Einwohner in Deutschland.
    Bei ca. 450 Rucks fielen schon einmal 257,86 wegen Autobesitzes weg.
    Wer von Verbliebenen 212 (alle Altersklassen vom Säugling bis zum Greis) wäre in der Lage – und erst recht auch willens – zu Fuß durch Deutschland zu gehen?
    Ich zweifle sehr daran, dass es diesen Herrn Ruck überhaupt jemals gegeben hat.
    Seine Deutschlandwanderung wäre auch sicher irgendwo publik gemacht worden.

    Der Einzige, der wirklich zu Fuß durch Deutschland gelaufen ist, war Michael Holzach mit seinem Hund Feldmann. Michael Holzach kam beim Versuch, seinen „Feldmann“ aus der Emscher vor dem Ertrinken zu retten, ums Leben.

    Und Herr Ruck lebt.

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    • Hihi! So kann man die Ruckrede natürlich auch interpretieren, lieber Lo. „Deutschland umsonst“, heißt der Erfahrungsbericht von Michael Holzach. Es ist ein Blick von unten, denn Holzach war ohne Geld unterwegs. Den Blick von oben kann man derzeit in unseren Leitmedien hören und lesen, wenn wieder das neobliberale Lied der Eliten gesungen wird, die Deutschland für einen Selbstbedienungsladen halten.

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    • Dankeschön. Ja, bei all dem Gesäusel wird immer vergessen, dass die von Herzog geforderten Reformen mit der Agenda 2010 verwirklicht wurden, wodurch das Leben vieler Menschen sich sehr zum Nachteil verändert hat. Aber die durch Hartz IV und Billiglohn, mithin Armut Betroffenen haben keine Stimme, wenn die Eliten sich feiern.
      Ramon war zuerst ein Tippfehler. Dann fand ich den Namen passender für einen Rapper und habe alles angepasst. Die Lesart, von der Freund Nebenmann direkt hierunter schreibt, gefällt mir besser. 😉

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  2. Ramon war der richtige Name, wurde aber von ihm selbst zu Roman abgeändert, weil dem „Ramon“ der unwiderstehliche Ruch des latin lovers anhaftet, und er wollte doch den Kreis seiner Eroberungen ein wenig eingegrenzt halten.
    Nebenmann

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  3. Herzog hielt seine Ruck-Rede zu der Zeit, als sein Kumpel Helmut Kohl dafür gesorgt hatte, dass in Deutschland aber auch überhaupt nichts mehr ruckte und zuckte. Das Land war wie betäubt von Kohls geistig-moralischer Wende und dann war es Herr Herzog im Adlon, also einer bescheidenen Absteige in Berlin, der über alle andren her zog.

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    • Danke für den Hinweis auf Kohl. Der hat zum Ende hin nicht mehr geliefert. Darum konnte ihn Angela Merkel vom Parteivorsitz verdrängen. Geliefert haben dann Schröder und Fischer, was rückblickend zeigt, dass es egal ist, wer unter Liz Mohn und Friede Springer Kanzler ist. Mohn und ihre Bertelsmannstiftung betonen ja auch immer ihre Überparteilichkeit.

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      • Ich las gerade „Bertelsbrandstiftung“, aber das kann ja nicht sein.

        (Trotzdem eine sehr würdige Nachrede. Sie hat mir direkt einen Ruck versetzt. Morgen gehe ich ins Pfandhaus, ihn wieder auszulösen)

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        • Manchmal übertreffen Lesefehler die Wirklichkeit. Viele der Scheußlichkeiten, mit denen die neoliberalen Regierungen unserer Tage den Menschen das Leben schwer machen, die hat man sich bei der Bertelsmannstiftung ausgedacht, die Eckpunkte von Schröders Agenda 2010 und mithin Hartz IV, die Studiengebühren, die neoliberale Ausrichtung der Hochschulen und des Arbeitsmarktes. Die Stiftung wächst beständig. Ihr gehören rund 77 Prozent des Medienriesen Bertelsmann, und weil die Stiftung weniger ausgibt als der Bertelsmannkonzern durch sie an Steuern spart, finanziert hier der Steuerzahler seinen eigenen Kriechgang in die Knechtschaft des Geldadels.
          (Danke für Lob und Witz. Dass die im Pfandhaus Ihren Ruck beliehen haben, lässt mich grübeln 😉

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      • Für die richtig dicken Dinger hat man in deutschen Demokratien schon immer die Sozialdemokraten gebraucht, die immer auch ein bißchen dankbar dafür sind, überhaupt an der Macht beteiligt zu werden und dafür auch bereit sind, die unangenehmen Rollen zu übernehmen.

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  4. Herzog war für mich der Volontär Kohls, ein Schmock, ein Strauß für Sehnsüchtige nach eben jenem. Ein Altherr, der dem entsprechend auch nur Altherrenwitze raushauen konnte, die auch nur Altherren verstanden. Wenn er von „Ruck“ redete, dann hatte er garantiert einen Sack dabei, um den „Ruck“ zu schultern, damit er ihn nicht selber aktiv Leben geben musste. Dieser Notnagelpräsident für den gescheiterten Kandidaten mit dessen wirren altdeutschen Ansichten, ihm wollte man einen höheren Stellenwert als Richard von Weizsäcker, einem Präsidenten Deutschland dem wirklich Ehre gebührt, weil jener nicht nur Reden konnte. Herzog sollte der Präsident aus der CDU werden, der Richard von Weizsäcker etwas mehr und nebenbei noch jenen Heitmann als Wunschkandidaten der CDU stärker vergessen machen sollte. Herzog gestaltete das Amt so um, wie mir es seit Johannes Rau in Erinnerung ist.

    De mortuis nil nisi bene? Dem will ich mich anschließen. Er führte 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ein. Am 27. Januar.
    Anmerkung: Johannes Rau (sein unterlegener Wahlkonkurrent um das Amt des Bundespräsidenten) starb zehn Jahre später genau an jenem Tag. Rau wurde Herzogs Nachfolger und führte Herzogs Werk fort. Genauso blass, genauso merk-würdig als Grußonkel der Nation.

    Holt mal wer den Mantel des Vergessens, um ihn über Herzog auszubreiten?

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  5. Lieber Jules,
    wenn ich Ihre Artikel lese, erkenne ich immer, wie wenig ich weiß, und dass ich oft noch recherchieren muss, um alles zu verstehen.
    Aber meine Rapper-Ramonfrage hat sich schneller beantwortet, als ich dachte.
    Meine Unwissenheit beunruhigt mich aber nicht sehr, da ich weiß, dass Menschen, die zu viel wissen auch gefährlich leben! Vor allem Satiriker. Da ich Sie aber nun schon eine Weile „kenne“ bin ich zuversichtlich, dass Sie mit dieser Wissenslast gut leben können und sie unermüdlich tragen. Zumal Sie ja engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrer Redaktion haben.
    Auch die „Connections“ zur RWTH helfen ja dann, wenn es mal eng werden könnte.

    Ich habe selten ein so starkes Team in der Blogwelt getroffen. Bravo!

    Gruß Heinrich

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    • Lieber Heinrich,
      Tatsächlich „kennen “ wir uns schon lange. Ich bin immer wieder erstaunt wie lange schon, wenn ich einen Kommentar von Ihnen unter einem alten Beitrag im Teppichhaus Trithemius finde. Aus unserem langen Kontakt weiß ich auch, dass Sie gerne tiefstapeln. Überdies gibt es gewiss Bereiche, über die Sie mehr wissen als ich. Biographisch bedingt hat ja jeder seine Prioritäten gesetzt bzw. setzen müssen. Es ist auf jeden Fall gut, dass wir über unterschiedliches Wissen verfügen. Sonst hätten wir uns nichts mehr mitzuteilen. Wenn es mit meiner Satire gelungen ist, gesellschaftspolitische Zusammenhänge aufzuzeigen, macht mich das froh.
      Vielen Dank auch für Ihr freundliches Lob!
      Beste Grüße,
      Jules

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