Herr Trittenheim sagt ab

ichAls ich Mitte der 1970-er Jahre zu studieren begann und ungefähr aussah wie auf dem Automatenbild, war an der Aachener Hochschule zu meinem Bedauern das Fach Psychologie völlig in Händen der Behavioristen. Diesen Reiz-Reaktions-Adepten war der menschliche Geist eine Blackbox. Sie bildeten mit den Verhaltensmodifizierern vom Fachbereich Pädagogik einen üblen Haufen, mit dem ich instinktiv nichts zu tun haben wollte. Denn wenn man das Verhalten von Schülern gezielt modifizieren will, muss man die Skrupellosigkeit haben, junge Menschen ohne ihr Wissen zu manipulieren. Das entsprach aber überhaupt nicht meinen Vorstellungen von einer emanzipatorischen Erziehung. Zur Verhaltensmodifikation ist die sogenannte Unterrichtsmitschau fast unerlässlich. Um Schüler im Unterricht beobachten zu können, hatte der Fachbereich Pädagogik ein komplett eingerichtetes Fernsehstudio mit Regie- und Schnittraum. Neben den festen Kameras im Studio gab es auch transportable Videokameras, zu einer Zeit, als die Videotechnik kaum verbreitet war. Etwa im Jahr 1977 fassten einige Kunststudenten, eine -studentin und ich den Entschluss, das Fernsehstudio und seine Geräte für etwas Anständiges zu nutzen, nämlich ein künstlerisches Video zu drehen. Es wurde daraus ein satirisches TV-Magazin. In einem Beitrag spiele ich mit, für zwei andere habe ich das Skript geschrieben.

Dieser Video ist kürzlich digitalisiert worden und soll zusammen mit anderen historischen Aufnahmen am 26. November in der Aachener Kultureinrichtung „Raststätte“ gezeigt werden. Natürlich hatte ich geplant, dabei zu sein. Denn wenn das Video wirklich 1977 entstanden ist, habe ich es 39 Jahre nicht gesehen, und von den Akteuren habe ich nur noch mit meinem Freund Nebenmann Kontakt, die anderen ebenso über 30 Jahre nicht getroffen. Ich war gespannt, was da noch an Wiedererkennen sein würde.

handschriftlicher Skriptentwurf (Auszug)

handschriftlicher Skriptentwurf (Auszug)

Textentwurf JvdL- zum Lesen bitte klicken

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Zu meinem großen Bedauern musste ich meine Aachenfahrt absagen, denn wie bereits mitgeteilt, habe ich Rückenprobleme und wage die Fahrt nicht, vor allem nicht, mit Gepäck zu hantieren, weil ich noch recht unbeweglich bin und einen Rückfall befürchte. Eventuell gibt es das Video demnächst bei YouTube zu sehen, also nicht das vom Rückfall, sondern „Kurzschluss“ mit dem schrägen Humor der 1970er Jahre. Die beiden im Bild zu sehenden Manuskripte habe ich eben im Papierarchiv gefunden. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir den absurden Text im TV-Studio aufgenommen, und einer, den ich so gerne wiedergetroffen hätte, hat es gesprochen. Schadeschade – ich weine.

27 Kommentare zu “Herr Trittenheim sagt ab

  1. oh…. das ist richtig bitter!!!!
    kann man nicht ohne Gepäck fahren???? Aachen und Hannover sind doch nicht soooooo weit entfernt???
    und könnte man nicht die Veranstaltung auch in Hannover abhalten? Aachen wird ja eh vollkommen überschätzt 🙂

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    • Danke für dein Mitgefühl. Ohne Gepäck geht nicht. Selbst wenn ich nur das Allernötigste mitnehme, ist mir das zuviel Gewicht. Hannover – Aachen bedeutet für mich, Straßenbahn, umsteigen Hannover Hbf, umsteigen Köln Hbf. Ich schätze übrigens meine alte Heimatstadt Aachen sehr, will sogar im Frühling wieder dahin zurück.

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    • Vielen Dank! Das würde mich freuen. Zwar habe ich meinen Freund Nebenmann (Aliasname, sein Sohn hatte sich um die Digitalisierung gekümmert) schon um Grüße gebeten und auch die Freigabe bei allen zu erfragen, aber doppelt hält besser. Was ist schon knackfrisch nach 40 Jahren? Ein Wunder, dass das Video überhaupt noch zu digitalisieren war.

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  2. Lieber Jules,
    ich bin erst bis Zeile 4 gekommen, weil ich beim Klick auf Ihren Behavioristen – Link, mich in den unendlichen Weiten des Cyberspace verlaufen habe.
    Bitte reparieren Sie den Link, damit solch einfachen Gemüter wie ich, gleich ohne Umschweife die Wikipediaerklärung lesen können. 😉
    Ich kommen dann nachher noch einmal vorbei, wenn ich den Rest gelesen habe. 😉

    Gruß Heinrich

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  3. Nun bin ich bei dem Foto angekommen. Ihre Mittsiebziger Haarpracht ist grandios. Ich habe gerade am Wochenende die Installation eines Künstlers gesehen, der all seine entfernten Haare auf Klebestreifen in Bilderrahmen zur Schau stellt.
    Das Projekt hätte sich bei Ihnen damals SEHR viel mehr gelohnt! 😉

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  4. Lieber Jules,
    ein durchschnittlicher Mensch hat 110000 – 150000 Haare. Da Sie kein durchschnittlicher Mensch sind, aber auch überdurchschnittliche Menschen nicht sehr viel mehr Platz auf dem Kopf haben, gehen wir mal von 150000 Haaren aus, à 3km. Das sind bei Ihnen 450000 Kilometer Haar. Das reicht locker von der Erde zum Mond.
    Sie können es sogar noch einmal um Erde und Mond herumwickeln – aber VORSICHT! Nicht zu stark dran ziehen! Wenn Sie den Mond näher an die Erde ranziehen, könnte der seine Bahn und Orientierung verlieren und versuchen, auf der Erde einzuparken. Wer weiß, ob das gut gehen würde? Lieber nicht! 😉

    Gruß Heinrich

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  5. Ich möchte wetten, die nicht sichtbare Hose hatte wohl Schlag, oder so …
    Das ist wirklich Mist, dass du nicht dabei sein kannst. Denn solche Fenster in die eigene Vergangenheit öffnen sich nicht tagtäglich. Es kann aber auch sein, dass dein Rücken dir eine Erfahrung erspart, denn Erinnerungen an solche Zeiten sind immer besser als was andere daraus machen können. Ich wünsch dir gute Besserung zu deinem Rücken.

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    • Falls hier Kinder mitlesen, will ich klarstellen, dass ich keine unsichtbare Hose getragen habe. Ob sie noch einen richtigen Schlag hatte, weiß ich nicht mehr. „Fenster in die eigene Vergangenheit “ hast du treffend gesagt. Dieses Ereignis wird sich nicht wiederholen lassen. Ich hatte darüber hinaus noch andere Begegnungen geplant. Ich danke dir für dein Mitgefühl und die Genesungswünsche. (Hab mir soeben, um den Einkauf nicht schleppen zu müssen, ein Gerät gekauft, dass mein mittlerer Sohn „Hackenporsche“ nannte.)

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  6. Etwas so schönes wegen etwas so dummen, wie einen schmerzenden Rücken absagen zu müssen, ist bedauerlich.
    Du hast mich neugierig gemacht, lieber Jules und ich hoffe das Video irgendwann sehen zu können.
    Das Foto ist klasse. Du hättest es schon einmal eingestellt und schon damals ist es in Erinnerung geblieben. Was für Haare.

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    • Gestern hatte ich mich damit abgefunden, aber heute schrieb mir Freund Nebenmann so lebendig und selbst begeistert vom Video und der Publikumsreaktion, dass ich mich noch mal doppelt geärgert habe. Leider besitze ich aus den 1970er Jahren kaum Fotos. Vermisse aber ein Standfoto aus dem Videofilm, deshalb die Wiederholung des Fotos. Freut mich, dass es dir noch gefällt. Als ich Lehrer wurde, waren die Haare schon kürzer.

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      • Ich würde mich auch ärgern. Egal wie oft man sich damit abfindet, am Ende überrollt einen der Ärger doch noch einmal hinterrücks. Dann soll er aber verschwinden und die Freude über dieses Zeitzeugnis überwiegen.
        Liebe Grüße und noch mal….tolle Haare 😉

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  8. Lieber Herr van der Ley,
    wen Sie doch wieder einmal in Aachen sind: Schauen Sie doch einmal im Institut für Erziehungswissenschaft vorbei. Es gibt da ein paar Menschen, die neugierig auf die Mediengeschichten von damals sind ;-)))

    Ihr
    Sven Kommer

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