„Schauen Sie sich das ruhig mal an“, sagte der Arzt und schob den Bildschirm herum, dass ich das Röntgenbild meiner Wirbelsäule sehen konnte, deutete hin, wo mir nichts weh tat, und fuhr fort: „Ich habe sowas noch nie gesehen und glaube, Sie sind ein Mutant.“
„Ein Mutant?! Was heißt das? Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte? Vorsorgliche Quarantäne, Isolationshaft, Standrechtliche Erschießung? Ihr Befund fällt hoffentlich unter die ärztliche Schweigepflicht.“
„Ja, aber …“
„Was aber?“
„Mir kam da gerade so ein Gedanke.“
„Das höre ich nicht gern. Was für ein Gedanke?“
„Ich würde Ihren Fall gerne auf dem nächsten Orthopäden-Kongress vorstellen und Sie gleich mit.“
„Damit alle mit dem Finger auf mich zeigen? Das schminken Sie sich lieber ab.“
„Ich denke nicht daran. Es ist meine Pflicht, Ihre Mutation in medizinischen Kreisen bekannt zu machen.“
„Nein, ich fordere das Urheberrecht an meiner Mutation.“
„Sie sind wohl kaum der Urheber.“
„Wer dann?“
„Eine Überdosis schädlicher Strahlen, ein radioaktives Medikament, was weiß ich.“
„Aber wollen einen Vortrag über mich halten. Ich fordere Sie prophylaktisch auf, die Dateien mit meinen Röntgenbildern zu löschen. Daran habe ich doch wohl das Urheberrecht.“
„Nein, es war mein Röntgenapparat, und meine Röntgenfachangestellte hat die Aufnahmen gemacht.“
„Unerheblich. Es fällt unter mein Recht am Bild.“
„Das könnten sie nur reklamieren, wenn Sie darauf zu erkennen wären. Das aber kann nur ein Experte wie ich.“
„Aber es steht mein Name dran.“
„Ein Aliasname. Wir führen Sie hier als Karl-Hermann Kartoffelsack.“
„Ich muss doch sehr bitten.“
Der Arzt erhob sich und grinste schlau. „Wenn Sie meine Praxis jetzt verlassen wollen, Herr Kartoffelsack?“
Ich humpelte zur Tür. Mit der Klinke in der Hand sagte ich: „Ich gehe. Aber damit das klar ist, für Ihre gewiss nicht kleine Honrarforderung, Herr Dr. KeineHanddemPatienten-sagtdieÄrztekammer, wenden Sie sich an diesen Kartoffelsack.“
Das Blöde ist ja, dass Deine Mutation jetzt nicht mal unter „Kartoffelsack’sche Mutation“ bekannt wird, sondern als „Ichsolldempatienkeinehandreicheneritis“ und Du wirst lediglich als „Patient eins, von dem nur bekannt ist, dass er daunddortlebte, diesunddasarbeitete und soundsoalt war“ bekannt werden. Das ist echt gemein…
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-ten- nachreichen…
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Man kann nicht alles habe. Ich hoffe, aus anderen Gründen, eine Spur zu hinterlassen 😉
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Als „Der Mann, der über den Doktor schrieb, welcher über den Mann ein Referat hielt, welcher die Mutation als erstes hatte“? Jo!
(Achtung, nein, war ein Witz. Ich WEISS, dass Du jetzt auch weißt, wann der Kakao nach Europa kam. Damit kannst Du auch noch bekannt werden!)
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Man hätte sich einen hübschen Namen für dich ausdenken sollen, lieber Jules.
Die Bildrechte hat man dir genommen, aber die Mutation gehört nur dir. Die echte. 😉
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Liebe Mitzi, man wird ja nicht gefragt als Mutant. Ich finde „karierte Einkaufstasche“ auch schöner als Kartoffelsack 😉
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Ja, damit könnte ich ebenfalls besser leben 😉
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Mein lieber Herr TT, nun habe ich die „Fachliteratur“ nach dem Kartoffelsacksyndrom durchforstet. Da gibt es ja zahlreiche Varianten und an welcher leidest bzw. welche erleidest du nun just ohne Leidensdruck?
😉
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Liebe Marana,
ich glaube bestimmte Frauen haben das „Kartoffelsack-Syndrom, können anziehen, was sie wollen, sehen sogar in einem Kartoffelsack gut aus. Oja, ich kannte mal eine Frau gut, der man das nachsagte, und habe darunter kaum gelitten 😉
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Freilich wird Ihr Kartoffelsacksyndrom nicht als Scoliosis trithemiensis, Morbus Trittenheim o.ä. Eingang in die Medizingeschichte finden, sondern unter dem Namen seines Entdeckers bzw. Erstbeschreibers – man kennt das ja. (Daher ist ja auch das Raucherbein nicht etwa so benannt weil mal ein Patient so hieß der eins hatte, oder gar weils vom Rauchen käme, sondern vielmehr nach einem Herrn Dr. Raucher, welcher als erster eins amputiert hat.)
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Korrekt, Herr Kollege. So wie Morbus Alzheimer nur so heißt, weil besagtem dem Entdecker sein Namen nicht einfallen wollte und er ersatzweise seinen Geburtsort ins Namensfeld kritzelte.
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Genial. Aber dass Du auf den Fame verzichtet hast. Eine Mutation, von Medizinern herbeigeführt und nun von solchen als potentielle Dissertationsgrundlage gewittert, hast Du abgelehnt. Und Du hast die Röntgenbilder nicht mitgenommen! Hm. Du solltest Deine Nachfahren ebenfalls aufklären 😉
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Ich bin leider überhaupt nicht ruhmsüchtig. Zwei Röntgenbilder habe ich in Kopie bekommen. Als ich die gestern einem Freund zeigte, wollte er nicht glauben, was er sah. 😉 Fortgepflanzt habe ich mich vor Auftritt der Mutation, so dass es meine Nachfahren nichts angeht.
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Ah, gut, dann ist das ja eine evolutionäre Sackgasse. Puh. Ja, jetzt bin ich aber neugierig! Was ist da los? Hast Du 6 statt 5 Lendenwirbel? Oder bildest Du eine neue Ordnung der Primaten? Oder ist das zu intim…;-)
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Gar nichts. Ich habe geschwindelt. Ein bisschen literarische Freiheit muss sein.
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😂😂😂
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Die Wirbelsäule auf dem Röntgenbild würde wissenschaftlich für erhebliches Aufsehen sorgen, sie erinnert mich an die Zeiten, als bei Salamander noch die Füße geröngt wurden. Da ist Lurchi wohl mit ins Bild geraten.
Schöner Text!
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Wurden bei Salamander tatsächlich die Füße geröngt? Das höre ich zum ersten Mal. Lurchi, ja,las ich auch sehr gern. Ist gibt sogar eine Lurchiforschung, las ich bei Wikipedia, womit aber nicht mein Rückgrat gemeint ist. Auch dort: „Die Verse der Lurchi-Bände 1–5 dichtete der damalige Generaldirektor der Salamander AG Kornwestheim, Alex Haffner.“
Danke fürs Lob, freut mich!
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http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/durchsichtige-fuesse-na-sohnemann-da-strahlst-du-a-268071.html
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Danke für den Link. Das ist ja unfassbar. Zum Glück gabet dat bei uns auf dem Dorf nicht. Aber als Kind war ich schon mal bei Salamander in Köln. Ob meine Mutter mich um das „Schuh-Fluoroskop“ drumrum gelotst hat, sonst hätte ich das doch mitbekommen wie das obligatorische Lurchi-Heft?
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Ich habe persönliche Erfahrungen damit gemacht. Wir wollten als Kinder genau deshalb zu Salamander. Eigentlich ist es nur ein Beispiel dafür, dass wir ständig ungefragt Teilnehmer eines Großexperimentes sind. „Zu den Risiken und Nebenwirkungen erfahren Sie mehr in 50 Jahren“… oder so ähnlich.
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