Ach, die unbedachten Worte

kategorie surrealer-AlltagAuf der obersten Etage wohnt eine dunkelhaarige Schönheit. Einmal, schon was länger her, kam ich spätabends zurück aus dem Vogelfrei, wo ich mit den Herren Leisetöne, Putzig und D’accord beim Bier gesessen hatte. Gerade wollte ich die Haustür aufschließen, als zwei junge Frauen herantraten und vertraut grüßten. Ich sagte erstaunt: „Ach, Hallo, Sie wollen auch ins Haus? Ich hatte Sie leider nicht sofort erkannt.“ „Ja“, sagte die eine, „man kennt sich ja gar nicht hier im Haus.“ Darauf antwortete ich, was mir augenblicklich Leid tat: „Doch Sie kenne ich. Sie kommen immer wie ein Gewitter die Treppe runter.“

Es hatte wie Kritik geklungen, war mir klar. Doch tatsächlich habe ich mich immer gefreut, ihre geschwinden Schritte auf den Treppen zu hören, die auf den Holzstufen wie ein anschwellender Trommelwirbel klangen und mich, der ich in derlei Rhythmik verliebt bin, für sie eingenommen hatten. Ich liebe das rasche Trapptrapptrapp, dieses Ungestüme junger Weiber, denn es gehören Bewegungsgeschick und ein flinker Geist zu derart raschen Schritten. Als junger Mann war ich auch schnell treppab, aber es war mehr ein geländergestütztes Überspringen von mehreren Stufen, nicht diese rasche Abfolge von links, rechts schöner Füße.

Leider hat sie sich meine unbedachte Bemerkung zu Herzen genommen und hinfort ihre Schritte gezähmt, und ich fürchte, sie hat ihr ganzes Wesen dazu zähmen müssen. Das habe ich nicht gewollt. Ich will nicht Schuld sein an einem Geschäft, das Angelegenheit des Lebens und der Zeit ist. Dieses Pärchen besorgt ihr das langsame Treppab früh genug und braucht meine Hilfe nicht. Wie gern würde ich meine unbedachten Worte zurückholen.

Stattdessen die passenden Rhythmen:
White Rabbits
Percussion Gun

22 Kommentare zu “Ach, die unbedachten Worte

  1. Sag ihr bei passender Gelegenheit, dass Du Gewitter magst, weil sie so lebendig sind.
    Tipp von der Gewitter-Fachfrau.
    Nippie Noya erlebte ich 2009 mit Hermann Kathan in der Stadt die es gar nicht gibt.
    Kleiner Lausch-Tipp…er kann nämlich Trommelzauber…
    Aber Dein Tipp trommelt auch total toll.
    Da blitzt mein Danke für diesen Beitrag, die Wolken klatschen in die Hände. Dieser Kommentar ist hier…
    Also liebe Grüße jedenfalls✨

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    • Danke für den Kommentar und den fachfraulichen Tipp, liebe Fee. Über den Satz mit den Trommlern habe ich eine Weile nachdenken müssen, aber dann wurde mir klar, dass es in Bielefeld gewesen ist, rätsele aber noch, ob Nippie Noya mit Herman Kathan aufgetreten ist oder ob du gemeinsam mit Herman Kathan in einem seiner Trommel-Workshops den Perkussionisten Nippie Noya erlebt hast, was ja bei einer Karfunkelfee durchaus möglich wäre.
      In jedem Fall lieben Gruß aus Hannover,
      Jules

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      • Ich hatte leider keinen persönlichen Kontakt zu Nippie Noya, wohl jedoch einen sehr erbaulichen schriftlichen Kontakt zu Hermann Kathan, der mich auch gewaltig beeindruckte mit seiner Trommelzauberei und den Jungs von Buschwerk.
        Aber ich lasse die lieber worken, ich lauschliebernur…
        Liebe Grüße aus dem magischen Bielefeld von
        Stefanie Karfunkelfee

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  2. „Wie ein Gewitter die Treppe hinunter“… also Jules, das ist aber auch kein angemessenes Bild für eine junge Frau, die vermutlich von sich denkt, dass sie wie ein Frühlingswind durch das Treppenhaus weht, während das Gewitter doch eher dem dreizehnjährigen Burschen zuzugehören scheint, der, sein Skateboard unter dem Arm, dabei noch ein Gespräch nach oben zur treusorgenden Mutter und unten zum wartenden Kumpel abwickelt. Trommelzauber, das Wort das Karfunkelfee benutzt hat, wäre natürlich viel schöner gewesen.

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    • Ja, Manfred, da kann ich dir leider nicht widersprechen. Mir fällt im Angesicht schöner Frauen meistens nur Unsinn ein, und es ist mit den Jahren nicht besser geworden. Andererseits, wenn ich sehe, wie kompliziert die richtige Wortwahl allein beim Schreiben ist, dieses langsame Abwägen, probeweise Formulieren, Umstellen, ja Kneten der Sätze, bis dann endlich Worte entstanden sind, die man gelten lassen mag, da ist ja schon ein Wunder, dass mir situativ überhaupt was einfällt, und sei es nur ein Bild, das anders als gemeint interpretiert werden kann,

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      • Ja, statt »wie ein Gewitter« hätten Sie wohl etwa sagen können »wie ein erfrischendes Sommergewitter« – ein typisches Treppen(sic!)kompliment leider, siehe Treppenwitz*.
        (Über ein missglücktes Kompliment berichtet auch Roda Roda, welches er einer Dame machte: »Gnädigste haben Beine wie eine Gazelle!« und diese sich darob entrüstete: »Wie meinen, so behaart?«)

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        • Ein „Treppenkompliment“ war es in zweifacher Hinsicht, weil wir im Reden den Hausflur schon durchquert hatten und am Fuß der Treppe angekommen waren. Danke für den guten Rat. Er kommt leider zu spät wie die passende Entgegnung, die einem erst nachher auf der Treppe einfällt, was ja die eigentliche Bedeutung von Treppenwitz ist. Danke für das hübsche Roda-Roda-Beispiel, das mir die Gelegenheit gibt, Roda Roda mal mit Bindestrich zu schreiben. 😉

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