Schmutz der Erde und meine neuen Hallenschuhe

Kategorie zirkusEs gab doch mal so eine Sekte „Vom neuen Turnschuh“ oder so, deren Mitglieder, als im Jahr 1997 der Komet Hale Bob erschien, kollektiv Selbstmord begingen, weil sie glaubten, dann würden sie von einem Raumschiff abgeholt, das hinter Hale Bopp herflog. Wikipedia weiß es mal wieder besser: „Heaven’s Gate“ habe die Sekte geheißen, und Sektenführer Marshall Applewhite und seine 38 Anhänger, die mit ihm in den Tod gegangen waren, trugen, als man ihre Leichen auffand, einheitlich schwarze Kleidung, neue Turnschuh und ein Armbändchen mit der Aufschrift „Heaven’s Gate Away Team.“

Vage dachte ich gestern Abend an diesen Verein, als ich mich fragte, was ich denn auf diesem Planeten noch verloren hätte. Und ob es nicht wünschenswert wäre, dass Außerirdische mich mit ihrem Raumschiff abholen. Bevor jetzt jemand einwendet, ich hätte ja gar keine neuen Turnschuh, wie ein jüngst hier veröffentlichtes Foto zeige, weise ich darauf hin, dass meine Hallenschuh so gut wie neu sind, so dass kein Alien-Hausmeister was zu meckern hätte. Auch sind die Sohlen farblos. Er könnte mir also nicht damit kommen, ich würde irdische Striemen auf dem guten kosmischen Parkett hinterlassen.

Den Planeten Erde zu verlassen, gibt es Gründe genug. Aus dramaturgischen Gründen fange ich mit den geringsten an, werde versuchen mich zu steigern, aber nicht so weit, dass mich der Weltschmerz schon beim Schreiben übermannt. Ein gewisser Ulrich („Uli“) Hoeneß, am 13. März 2014 vom Münchener Landgericht wegen Diebstahls eines Pfandbons im Wert von 1,60 Euro Steuerhinterziehung von 43 Millionen Euro zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt und im Februar 2016 vorzeitig entlassen, soll erneut Präsident des Fußballvereins Bayern München werden. Es hat sich im Jahr 2014 schon angekündigt, als Sandra Maischberger eine Sendung moderierte mit dem abenteuerlichen Titel:Danke, Uli Hoeneß. Wird die Steuermoral jetzt besser?“ (aufschlussreich mal nachzulesen)

Wie Sportschau.de meldet, befürworten Hoeneß Wiedereinzug ins Präsidentenamt auch „Ehrenpräsident“ Franz (keine Sklaven gesehen) Beckenbauer und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz (Rolex) Rummenigge. Wir verstehen: Das Gaunerpack trachtet danach, sein Triumvirat wieder zu komplettieren. Ich stecke prophylaktisch fünf Euro ins Phrasenschwein und schreibe: „In Bayern ticken die Uhren eben anders.“ Weils Rolexuhren sind. Da kann jemand sündteure Uhren am Zoll vorbeischmuggeln und deshalb vorbestraft sein wie Rummenigge, bei der FIFA in dubiose Millionenzahlungen verwickelt sein wie Beckenbauer oder ein verurteilter Steuerhinterzieher wie Hoeneß weiterhin zur ehrenwerten Gesellschaft gehören. Man ist nicht fies davor. War man schon zu Zeiten von Franz-Josef Strauss nicht, dessen Gaunereien das Rechtsempfinden in Bayerns Eliten nachhaltig versaut haben. So konnte Otto Wiesheu im Jahr 1993 Bayerischer Verkehrsminister werden, obwohl er zehn Jahre zuvor jemanden im Suff totgefahren hatte, und Doktorschwindler Karl-Theodor zu Guttenberg Shootingstar und Hoffnungsträger in der CSU werden. Nicht zu vergessen Christine Haderthauer, Ministerin und Chefin der bayerischen Staatskanzlei, die wegen einer dubiosen Modellbauaffäre zurücktreten musste.

Uff, das reicht schon. Ich höre jetzt auf, sonst ziehe ich mir gleich die neuen Hallenschuhe an.

14 Kommentare zu “Schmutz der Erde und meine neuen Hallenschuhe

  1. Ich glaube im bayrischen „mia san mia“ ist schon verankert, dass da alles geht, was sonst nirgends geht, vorausgesetzt du bist erfolgreich. Der Rolex-Kalle und der Knast-Uli haben redlich bewiesen, wie Externe durch Schlitzohrigkeit, die andernorts als Gaunerei bezeichnet wird, sogar die bayrische Staatsbürgerschaft erlangen können. Der „richtige“ Fan in seiner Krachledernen sieht sich gewissermaßen als Rebell und bewundert die Bauernschläue seiner Lieblinge …

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  2. Ich habe Dein Problem zuerst gelesen und dann mit zum Einkaufen genommen (Müesli, Weintrauben und Schokolade, danke der Nachfrage), weil Einkaufen eine dermaßen stupide Tätigkeit ist, dass man dabei gut Probleme lösen kann. Ähnlich wie Trinken, nur mit weniger Alkohol, also ist es vielleicht gesünder.
    Ungefähr auf Höhe der Bananen (1,99 pro Kilo) fiel mir ein Zitat von Douglas Adams ein: „Ironie ist auf Beteigeuze unbekannt…“ und ich dachte, verdammt, wenn diese Außerirdischen nun von Beteigeuze kommen (dass Douglas Adams Recht hat, steht außer Frage!) dann wird man von Leuten entführt, die die Hälfte von dem, was man sagt, nicht kapieren, weil sie Ironie nicht kennen (und die andere Hälfte, weil meine Sprache nicht sprechen), und dann dachte ich, da das nicht Dein oben angesprochenes Problem ist – wobei ich natürlich nicht „oben“ dachte, da ich ja auf Höhe der Bananen stand, sondern „vorhin im Blog“ – wirst Du stattdessen vermutlich von einem Raumschiff, Sondermission Erdlingsentführung, abgeholt, dessen Kommandant ein verurteilter Straftäter von Beteigeuze sieben ist, der versucht hat, Ironie gegen das Gesetz kostenpflichtig dort einzuführen, und Mist, dann kommst Du auch vom Regen in die Traufe, und das trotz sauberer Hallenturnschuhe (zerlegen Sie den Satz in Haupt- und Nebensätze und nennen Sie die Hauptaussage. Sie haben 5 Minuten Zeit).

    Mir würde am meisten das Lächeln fehlen. Vulkanier zum Beispiel lächeln so gut wie nie, das habe ich bei Star Trek gesehen. Allerdings ist das Lächeln auch das, was mir in meinem wirklichen, wahren Erdleben am meisten fehlt. Und ich habe noch nicht mal saubere Turnschuhe. Ich denke, ich werde die Sehnsucht nach sauberen Turnschuhen weiter mit mir herumtragen…

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    • Auch ohne deinen langen Satz grammatisch zu zerlegen, macht dein launiger Einkaufsbericht mir klar, dass Flucht ins All kein Ausweg ist. Vielleicht leben wir doch in der „besten aller möglichen Welten“, wie Leibniz behauptet hat. Allerdings kannte er nur die eine, war er für Ironie zu ernst und hatte von Vulkaniern nie gehört.

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      • Ich denke, die beste aller möglichen Welten bietet laut Leibniz das Potential, Vulkanier zu erfinden; genau deshalb ist sie so toll. Also gut, nicht nur Vulkanier, sondern auch Ferengi, das muss ich zugeben, aber die Möglichkeiten sind eben da. Ebenso wie die Möglichkeit, sein Turnschuhproblem coram publico zu durchdenken – und vielleicht den ein oder anderen verständnisvollen Leser zu finden, ohne sich deshalb aus seiner Höhle hinauswagen zu müssen.
        Ist doch toll…

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  3. Schön an der Uli-Nummer ist ja, dass sie so öffentlich durchgezogen wird. Da gibt es keine Heimlichkeiten, kein verschämtes Zuschanzen von Pöstchen, nein, vor der gesamten deutschen Öffentlichkeit wird zelebriert, dass denen nichts mehr peinlich ist. Wer kann der Bagage denn jetzt noch was? Recht? Gesetz? Moral? Aber doch nicht, wenn es um den FC Bayern geht. Einfach unschlagbar.

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  4. Mir Würden aus dem Stand eine gute Hand voll Gründe einfallen, welche die Frage was du hier noch zu suchen hast, beantwortet. Weit weniger fällt mir zu Uli Hoeneß ein und gar nichts zu dem dämlichen Slogan „mia san mia“. Der klingt für mich nach „wir machen was wir wollen“.
    Warum man steuersündern für ihre vermeintliche Ehrlichkeit auf die Schulter klopft, ist mir ein Rätsel.

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  5. Meiner Frau und meiner Tochter, im normalen Leben intelligent, pfiffig und hellwach, die aber leider aber an einer affektiven Störung (FCB!) leiden, die meist an Wochenenden auftritt und sich durch eine intensive, schon allein durch Ballbewegungen ausgelöste Anspannung bis hin zu einer gehobenen heiteren Stimmung zeigt, habe ich das Gleiche gesagt, dass ich die Dreistigkeit nicht verstehen kann, dass ein verurteilter Steuerhinterzieher schon wieder in Amt (und Würden?) kommen kann.
    Das verstehen sie nicht. Immerhin hat der Ulli doch auch „sooo viel Gutes getan.“

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