Karl-Hermann live (4) – Schule des Stehens

karl-hermann-folge-4-neuDas letzte Cartoon dieser Serie. Nach der Schule des Gehens gibt es heute die Schule des Stehens, was durchaus metaphorisch zu verstehen ist, im Verharren auf anerkannten Denkweisen, dem geistigen Stillstand. Der Schule kommt hier die Aufgabe zu, angepasste Denker hervorzubringen. Sie ist darin effektiver als man glaubt. In 25 Jahren als Lehrer habe ich oft erlebt, dass gerade die Querdenker, die Unangepassten in ihren Schulkarrieren scheiterten. Andererseits habe ich mündliche Abiturprüfungen erlebt, bei denen Abiturienten mit einer Eins den Raum verlassen haben, die mich denken ließen: „Ich habe keinen einzigen eigenen Gedanken gehört. Alles wunderbar angelesen und nachgebetet.“ Dabei war mir klar, dass die Schülerinnen oder Schüler zu eigenen Gedanken in der Lage waren, nur eben schon verinnerlicht hatten, dass man mit dem getreulichen Wiederkäuen besser voran kommt. So viehisch geht es hurtig weiter in Studium und Ausbildung. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Gesellschaft in jeglicher Hinsicht von der Mittelmäßigkeit dominiert wird. Die mittelmäßigen Denker geben überall den Ton an. Die gesellschaftliche Mitte hat inzwischen eine beängstigende Sogkraft entwickelt. Da wächst ein Schwarzes Loch der Durchschnittlichkeit, das einmal an seiner eigenen Masse zusammenkrachen wird.

21 Kommentare zu “Karl-Hermann live (4) – Schule des Stehens

  1. Du hast mit diesem Cartoon ja ein Prinzip umgekehrt, welches schon lange bekannt ist. Wer kennt nicht die Geschichte von den Leuten, denen gesagt wurde, dass etwas so nicht ginge, bis dann einer kam, der das nicht wusste und es einfach tat. Oder die Geschichte von der Hummel, die nach physikalischen Gesetzen nicht fliegen kann, es aber trotzdem tut. Mir persönlich, so abgedroschen sie auch sind und so oft, wie sie einem begegnen, sind diese Beispiele trotzdem lieber als deines. Ich freue mich lieber über das eine Mal Jubilieren als über das hundertfache Jammern zu verwzeifeln.

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    • Der Witz darf nicht fragen danach, was den Leuten lieber ist, sondern ist anarchisch.

      Damit es dir gefiele, müsste K-H also zum Erstaunen des Lehrers so stehen bleiben. Es würde die Aussage nicht nur umkehren, sondern über die Rolle der Schule im Anpassungsprozess lügen. Wo wäre der Witz?

      Oder ich zeichne eine Hummel und texte: „Sie kann eigentlich nach den physikalischen Gesetzen nicht fliegen.“ Hier tut sie es doch, ist aber nur eine Zeichnung, also keine echte Hummel, haha.“ Dann würde der Witz einen anderen Aspekt herausstellen, wie er sich findet in René Magrittes Gemälde einer Pfeife mit der Bildunterschrift „ceci n’est pas une pipe“ (nämlich nur das Bild einer Pfeife).

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  2. Schöne Serie! Gestern habe ich den Paßgang im Büro geübt, ging ganz gut, es hat mich daran erinnert, wie wir als Kinder Paradieren geübt haben („Hände an die Hosennaht!“). Was das Stehen anbetrifft, gehöre ich wohl leider zum Mittelmaß, aber ich gebe mir Mühe, öfter mal schräg herauszuragen (jedenfalls im übertragenen Sinne).;-)

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    • Schön, dass du dich hast anregen lassen und danke fürs Lob. Tatsächlich hilft „Hände an die Hosennaht“ bei der Passgangübung. Ich widerspreche dir ungern, aber im Denken gegen den Strich bist du Meister.

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  3. Aber trotz Mittelmaß, wie du es sagst, stehen deutsche Erzeugnisse in Qualität und Beliebtheit weltweit oft an erster Stelle.
    Wie „schlecht“ oder untermittelmäßig müssen da erst die anderen sein?
    Oder gleichen die anderen dafür im philosophischen und/oder geistigen Bereich aus?

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