Aus dem Off – Schicklich Suppe essen

aus dem offIch war mir viele Tage nicht schlüssig, ob es bei Tisch schicklich ist, Brot in die Suppe zu brocken. Jedes mal beim Mittagstisch, wenn ich das tue, beschleicht mich ein ungutes Gefühl und ich gucke mich stiekum nach missbilligenden Blicken um. Auch Herr Leisetöne, den ich im Supermarkt traf, wusste das nicht, obwohl er sonst alles weiß, sogar und mit Überzeugung die Sachen, die er nicht weiß, ja nicht mal wissen kann, beispielsweise wie es zuging auf dem Urkontinent Pangaea. Da kennt er sich bestens aus. Aber Suppe gabs da wohl noch nicht. Und es mussten noch Jahrmillionen vergehen, bevor Brot zur Suppe gereicht wurde. Da war es aber schon ein bisschen hart und wurde vermutlich deshalb getunkt. Vielleicht war Herr Leisetöne auch einfach zu faul nachzudenken, sonst hätte er nicht überrascht gelacht, als ich ihn auf das geflügelte Wort aufmerksam machte: „Der hat mir die Suppe eingebrockt.“ Das weist jedenfalls auf ein hohes Alter der Brot-in-Suppe-Brockerei. Denn bevor eine Sache sprichwörtlich wird, müssen schon ein paar Jährchen verstrichen sein.

Zu Hause fragte ich voller Neugier das große Orakel Internet, fand aber keine echte Antwort. Userin GuteLaune hat im Forum der Frauenzeitschrift Brigitte ein ähnliches Problem. Sie fragt, ob man Brot in die Soße stippen darf. Bei „Wer-weiß-was.de“ meint ein gewisser Stefan: „Dürfen ist so ne Sache! Du darfst halt mit dem Brot keine Straftat begehen. Also niemanden damit verletzen, in dem du es zum Beispiel trocken werden lässt und dann auf deinen Tischnachbarn einschlägst.“

Also keine Straftaten mit Brot. Morden und Brandschatzen mit Brotkanten schickt sich nicht, das wissen wir jetzt. Wenig aber zu meinem Problem. Nebenher las ich, dass es nicht schicklich wäre, in die Suppe zu pusten. Das habe ich eigentlich immer getan, da war ich bislang ganz arglos. Ab jetzt puste ich aber nur noch heimlich. Hab mir schon paarmal den Mund verbrannt seither. Das habe ich mir eingebrockt. Wer keine Sorgen hat, macht sich welche. Wenn du jetzt fragt: Warum macht der sich darüber Gedanken, antworte ich mit einer Sentenz von Egon Friedell: „Kultur ist Reichtum an Problemen.“

21 Kommentare zu “Aus dem Off – Schicklich Suppe essen

  1. Natürlich… hat mir das jetzt wieder keine Ruhe gelassen. Ich habe eben eine seitenlange Abhandlung über das Brot in unserer Kultur gelesen und dabei Ertsaunliches erfahren. Zu Deinem Eintunkproblem aber nur wenig. Manchmal durfte man es, um die Reste nicht verkommen zu lassen, manchmal durfte man es nicht, weil ein Anstandsschluck im Teller zu verbleiben hatte. Manchmal durfte man den Anstandsschluck doch mit dem Brot aufsaugen, aber nur mit einem freundlichen Hinweis darauf, dass man die gute Suppe doch nicht verkommen lassen dürfe. Außerdem scheint es da regionale Unterschiede zu geben – wenn Du darauf bestehst, Brot in Suppe zu werfen, solltest Du möglicherweise in die Schweiz ziehen. Aber das alles gilt nur für die Suppen- bzw. SoßenRESTE. Für das einfache Brot-in-Suppe-tunken-und-essen gab es da keine Verhaltensregeln. Anscheinend ist das entweder völlig normal oder so total abartig, dass es gar nicht erwähnt werden muss.
    Schließlich fand ich in einem Beitrag zu einem Geschäftsessen, von dem die Karriere anhängt, doch noch folgenden Satz: „Grundregel sei: Nicht pusten, nicht schlürfen, nicht mit dem Brot tunken und den Löffel nur mit der Spitze zum Mund führen.“
    Also, wenn Deine Karriere davon abhängt, lass es. Oder koch gleich eins der zur Zeit 83 Rezepte für Brotsuppe bei Chefkoch.de nach. Bei diesen Rezepten ist das Brot sowieso schon da, wo Du es gerne hättest!

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    • Vielen Dank für deine Recherche und die umfassende Auskunft! Zu deinem Tipp mit der Brotsuppe: Ich habe das Problem ja nur in der Öffentlicfhkeit. Wo ich zu Mittag meine meistens vegane Suppe esse, gibt es immer Brot dazu. Und weil ich gewohnt bin, immer alles aufzuessen,stehe ich fast täglich vor der Frage, die oben skizziert ist.

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  2. Das ist doch ganz einfach: Es gibt Suppen, die bedürfen der Broteinlage und da reicht die umsichtige Hausfrau Croutons dazu und die nicht umsichtige stellt den Brotkorb auf den Tisch, bei anderen Suppen würde man mit Brot das feine Geschmacksgleichgewicht verpampen, also bitte nicht das Brot hineinbocken, wenn du der Hausfrau oder Köchin keinen Tort antun möchtest. Es wäre so, als wenn du fein abgestimmtes Essen mit Senf oder Ketchup nachwürzen würdest. Also wenn Brot, dann nebenher, um zwischendurch die Geschmacksnerven ein wenig zu neutralisieren.
    Und ansonsten entscheidet im Zweifelsfall der Esser selbst, ob eine Suppe der Broteinlage bedarf oder nicht, nachdem er den ersten Happen probiert hat.
    Erschöpfende Auskunft?
    Gruß von der täglich kochenden Hausfrau, die es gerne sieht, wenn ihre Kochkünste die angemessene Würdigung erfahren.
    😉

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    • Es gibt immer Brot zur Suppe im Biosupermarkt, wo ich täglich zu Mittag esse. Und weil die Suppe meistens zu heiß ich, brocke ich das Brot hinein, wodurch natürlich ein abkühlender Effekt entsteht. Geschmacklich beeinflusst das kaum, jedenfalls nicht so extrem wie Senf oder Ketchup. Trotzdem dankeschön für deinen Rat. Jetzt bin ich ein bisschen schlauer.
      Beste Grüße von einem, der es unbesehen nie wagen würde, deine Kochkünste nicht zu preisen. 😉

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  3. Ich denke, früher war Suppe mit Brot ein arme-Leute-Essen. Da musste das Brot eingetunkt werden. Davon wollte man sich distanzieren und empfand es deshalb als niveaulos;-) Genauso wie Bräune ein Zeichen für Armut war, weil man auf dem Feld arbeiten musste. Vornehme Blässe bedeutet, man musste nicht ins Freie!

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  4. Vielleicht habe ich das nicht gewusst, aber ich weiß, wo so etwas stehen könnte:
    Als ich vor geraumer Zeit meiner Leidenschaft frönte und alte RoRoRos durchblätterte fiel mir eines von Heinrich Eduard Jacob in die Hände, es heißt „Dämonen und Narren“. Ich fand das Buch schon sehr nett aber noch interessanter fand ich den Klappentext zu Beginn, in dem da steht, dass dieser Autor nicht wegen seiner Novellen und Romane so bekannt gewesen sei, sondern wegen seiner spannend geschriebenen Sachbücher, von dem eines den höchst interessanten Titel „Sechstausend Jahre Brot“ trägt.
    Was wir also jetzt schon einmal ganz genau wissen, ist, dass wir seit höchstens 6000 Jahren Suppen einbrocken; da war Pangaea schon Geschichte.

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  5. Lieber Jules,
    da äußer ich mich dann doch mal trotz gerade sehr knapp bemessener Zeit. Ich möchte einfach nicht, dass Du morgen beim Suppenhändler Deines Vertrauens panisch um Dich schaust 😉 .
    In der gehobenen (!) Gastronomie gibt es den Gourmetlöffel, der dazu da ist, Soßenreste o.ä. aufzulöffeln und das gebrochene (!) Brot dazu zu essen. Aber sogar dort ist es – ob mit oder ohne Monsieur Knigges Erlaubnis – mittlerweile erlaubt, das gebrochene Brot in die Suppe zu stippen oder in den Rest Soße zu tunken. Persönlich bin ich auch ein begeisterter Stipper.
    Ich finde aber, dass es wenig bringt, die Suppe auf dem Teller anzupusten, eher fülle ich den Löffel zur Hälfte und puste dann. Nicht nur, weil es erlaubt ist, sondern vielmehr ist diese Methode wesentlich effektiver, ohne sich die Schnute zu verbrennen 😉
    Lieben Gruß
    Andrea

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    • Vielen Dank für die sachkundige Auskunft aus der „gehobenen Gastronomie“, liebe Andrea, wo ich mich nicht auskenne. Darf ich mich zukünftig als Gourmet fühlen, wenn ich Broit in die Suppe brocke? Nebenbei: Dem armen Baron Adolph Knigge tun wir Unrecht, wenn wir ihn als Benimm-Ratgeber verschleißen. Sein Hauptwerk „Über den Umgang mit Menschen“ (ich habs gelesen)
      https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cber_den_Umgang_mit_Menschen
      enthält vielmehr allgemeine Lebensregeln und Ratschläge für den Umgang miteinander, namentlich wie man sich mit sozial höher Gestellten zu verhalten habe.
      Ich meinte übrigens genau das Pusten auf den Löffel. Hab mich nur ungenau ausgedrückt.
      Lieben Gruß,
      Jules

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  6. Es ist schon alles geschrieben, was mich aber nicht davon abhält auch noch ein Stück Brot in die Runde zu werfen. Was ist schon schicklich, lieber Jules? Rudimentäre Tischmanieren vorausgesetzt…was kümmert es dich, ob man nun tunken und pusten darf? Natürlich bin ich trotzdem froh, dass du dir diese Fragen stellst – so habe ich etwas zu lesen und kann mich mit sentimentalen Grausen an Omas Suppe erinnern, in die sie selbst das Brot vom Vortag bereits rein geworfen hatte. Fremd gebrocktes Brot schmeckt nach meiner Erfahrung nicht besonders gut.
    Liebe Grüße
    Ich bin erleichtert, dass tunken und brocken wohl doch noch erlaubt ist.

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    • „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen“, sagt Karl Valentin. Aber es geht um Personen, wie dein Kommentar zeigt, liebe Mitzi, nicht um den Neuigkeitswert. Es hat ja jede die eigene Art, etwas zu sagen. In jedem Fall freue ich mich über deinen Kommentar.
      Lieben Gruß

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