Kellerassel verstößt gegen intergalaktisches Recht

Es hat geregnet. Ein schwerer Landregen ist niedergegangen. Im Hof zwischen den feuchten Fliesen kriecht mit provozierender Langsamkeit eine Assel. Die Abmessungen einer Asselwelt zugrundegelegt, betrachte ich sie aus großer Höhe, derweil ich meinen Fahrradsattel trocken wische. Weil ich so wenig über Asseln weiß und weil sie sich so seltsam stoisch bewegt auf ihren kaum sichtbaren sieben Beinpaaren, stelle ich mir vor, die Assel wäre das Raumschiff einer außerirdischen Spezies, eher noch das Landungsschiff, mit dem sie unsere Welt erkunden.

Im Inneren, links und rechts an den Außenwänden entlang sitzen je sieben außerirdische Navigatoren in Reihe hintereinander je über einem Bein und steuern es per Joystick. Die fortgeschrittene Asseltechnik würde hier eine Automatisierung erlauben, aber die Außerirdischen steuern die Beine manuell, damit sie sich bei der Langsamkeit ihres Erkundungsfahrzeugs nicht tödlich langweilen. Außerdem trainieren sie die mentale telepathische Vernetzung, die allein es erlaubt, die Bewegungen von 14 Beine zu koordinieren. Telepathische Vernetzung ist nicht unproblematisch. Wenn alle geistig miteinander verbunden sind, reicht die verregnete schlechte Laune eines einzigen, um die gesamte Besatzung in bodenlosen Grimm zu stürzen. Man faucht sich telepathisch an, weil das fünfte Bein links mal wieder aus dem Takt ist, weshalb die angestrebte Vorwärtsbewegung stoppt. „Scheiße im Quadrat! So kommen wir hier nie mehr weg!“, rufen 13 Navigatoren entnervt im Chor und bringen die Beine nun völlig durcheinander.

Aber was? Obwohl ich nur ganz friedlich mein Fahrrad vom Hof schieben will, hat man in mir einen Feind ausgemacht, und ohne sich um diplomatische Kontakte überhaupt zu bemühen, feuern die Asselianer mehrere Salven winziger Geschosse nach meinen Schuhen ab. Auslöser war ein Streit auf der Kommandobrücke. Der Asselkommandant  hatte nach einem Kaffee verlangt. Sein persönlicher Referent brachte ihm eine volle Tasse mit den Worten: „Sieht nach Regen aus, Exzellenz!“ „Ja“, antwortete der Asselkommandant: „Aber wenn man genau hinschaut, merkt man doch, dass es Kaffee sein soll.“ Das wiederum erboste seinen ohnehin gereizten Referenten, dass er die volle Kaffeetasse in die Ecke schleuderte, leider in die Steuerungseinheit des Verteidigungssystems. Das hatte eine Fehlfunktion und meldete „ALARM! Feindliche Bedrohung durch zwei riesige Boote!“, weshalb quasi automatisch die Warnschüsse auf meine Schuhe abgegeben wurden.

Fotobeweis: Leckage durch Beschuss - Foto: Trithemius

Fotobeweis: Leckage durch Beschuss – Foto: Trithemius

Es muss nicht zum ersten Mal zu derlei feindlichen Akten gekommen sein. Jedenfalls habe ich jetzt die Erklärung für den desolaten Zustand meiner Laufschuh. Was ich für die üblichen Verschleißspuren gehalten habe, kommt vom Alienbeschuss! Meine Herren! Ja, muss das denn sein? Das ist doch eindeutig ein schwerer Verstoß gegen intergalaktisches Recht. Man muss wohl den asselianischen Botschafter einbestellen.

13 Kommentare zu “Kellerassel verstößt gegen intergalaktisches Recht

  1. Jetzt – nach dem Brexit – bitte keine voreiligen und unüberlegten Manöver.

    Ich würde diesen delikaten Fall intergalaktischer Impertinenz direkt Herrn Jean Asselborn von der EU übergeben. Wer, wenn nicht er, kann alleine schon vom Namen her in dieser überaus brenzligen Situation besser vermitteln …

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  2. Das mit der Schwerkraft scheint mir ein Trugschluss zu sein. Wenn die Schwerkraft bei uns geringer wäre, würde sie wild rumhüpfen (siehe unsere Astronauten auf dem Mond oder „Tim und Struppi, Reiseziel Mond“, die Schulzes!). Ich glaube eher, dass die Assel in ihrer intergalaktischen Heimat rund wie ein Ballon ist und nur hier auf der Erde so niedergedrückt wird.
    Ansonsten sehen meine Laufschuhe ganz ähnlich aus – das erklärt einiges; vielen Dank!

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  3. Lieber Jules,
    die Kellerasseln, die Sie beschossen haben, müssen aus der Art geschlagen sein. Gerade lese ich noch im Internet: [zitat]Kellerasseln sind faszinierende Urzeit-Tiere und für den Menschen absolut ungefährlich, außerdem wichtige Nützlinge, sie stellen Humus her.[/zitat]
    Oder ich bin mal wieder auf die manipulative Berichterstattung der heutigen Zeit reingefallen.
    Wenn die Asseln in Ihrem Hof Ihnen also kein Päckchen Humus überreicht haben, sind sie von finsteren Gestalten hypnotisiert worden, um Sie anzugreifen. Hatten Sie in letzter Zeit schon einmal das Gefühl, man wolle Sie aus diesem Haus vertreiben? Plant ein Investor dort ein Erlebnisschwimmbad o.ä. ? Oder wollen die Asseln dort eine Basis-Station errichten?! Eine Menge offener Fragen, die Sorgen bereiten.
    Ich bin etwas beunruhigt!
    Gruß Heinrich

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    • Lieber Heinrich,
      zu meinem Bedauern habe ich Ihren Kommentar nicht beantwortet und es erst heute festgestellt.Ich will die Schuld nicht auf Mitmenschen schieben, aber schon auf die Asseln. Sie haben mir nicht nur keinen Humus überreicht, sondern es auch noch auf perfide Weise geschafft, dass ich Ihre besorgten Fragen nicht beizeiten beachtet habe, vermutlich, weil Sie durchaus richtig lagen, was die Pläne der durchtriebenen Asseln betrifft. Ich fühle mich machtlos ausgeliefert.
      Noch kann ich Sie grüßen,
      herzlichst
      Jules

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  4. Wie ich gerade nachgelesen haben, gehören Asseln zu den höheren Krebsen, was vermutlich eine Art Befehlsgewalt impliziert. Sie sind, wie wir, eine Lebensform, die ursprünglich aus dem Meer stammt, allerdings klug genug war, dort zu bleiben. Bis auf diese wenigen Ausreißer, die immer noch versuchen, einen überzeugenden nächsten Schritt zu tun. Aber was soll schon aus einer Art werden, die Assel heißt aber nicht einmal so klingt? Gibt es Aufstiegschancen für Kellerasseln? Werden sie mal Erdgeschossasseln?

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    • Bei der Neugestaltung des Teestübchens (Kategoriebilder in der rechten Spalte) fiel mir dein humoriger Kommentar auf, den ich zwar damals aktuell gelesen, aber versäumt habe zu beantworten. Meine Recherchen haben ergeben, dass es sich um Mauerasseln handelt. Wie hoch sie im Mauerwerk aufsteigen können, ohne zu verdursten, weiß ich leider nicht. Auf der ersten Etage ist mir jedenfalls noch keine begegnet.

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      • Jean Asselborn, Mitglied der Lëtzebuerger Sozialistesch Aarbechterpartei, hat es bis zum Außenminister gebracht. Diese Sorte Asseln scheint ziemlich weit aufsteigen zu können, ohne zu verdursten, unter anderem wohl auch, weil sie gern einen Trinken gehen. Nehme ich an.

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