Wenn Frühling und Sonnenschein mich locken, fahre ich mit dem Rad durch den Georgengarten zur Mensa auf dem Conti-Campus. Ich muss freilich vor 12 Uhr da sein, denn zwischen 12 und 13 Uhr wird es schlagartig derart hömmele voll in der Contine, das es schwer ist, einen Platz zu finden. Letztens saß ich dicht an dicht mit welchen, die ihrem geschniegelten Auftreten nach von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät hereingeschneit waren. Aus dem allgemeinen Lärm wehten gelegentlich Gesprächsfetzen an mein Ohr. Man sprach tatsächlich über Tischgebete.
Einer verkündete, dass bei ihm zu Hause keine Mahlzeit ohne Tischgebet denkbar wäre. Und er sagte eines auf, das offenbar exemplarisch war: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.“ Die dabei sitzende Studentin staunte und schwieg andächtig. Da wollte sich ihr Gegenüber ein bisschen locker hervortun und sagte, sein Vater würde so beten: „Trocken oder nass, deo gratias!“ fertig.
“Trocken oder nass”? Tischgebete beziehen sich in der Regel auf den Gegenstand der Mahlzeit. Gläubige Menschen danken Gott für das, was sie auf dem Teller haben. Bei welchen Gerichten stellt sich denn die Frage nach trocken oder nass? Ich kam nicht gleich drauf, aber es ist Hunde- und Katzenfutter. Man hat ja schon mal gehört, dass manche aus den besseren Kreisen ziemlich geizig sind. Dass welche im dicken Mercedes bei Aldi vorfahren, geht ja noch, aber kann Gott es gut heißen, wenn die Herrschaften armen Rentnern das Futter streitig machen? Was war das hier für ein wunderliches Völkchen?
Ich weiß natürlich nicht wirklich, ob sie Wirtschaftswissenschaft studieren, dachte aber es würde schon passen, denn diese seltsame Studienrichtung hat viel mehr mit Glauben als mit Wissenschaft zu tun. Schon allein, dass man bis zum Ausbruch der Finanzkrise unverbrüchlich an die “Unsichtbare Hand” geglaubt hat, die den Markt regelt und all die Verrücktheiten ausgleicht, die geldgierige Menschen angerichtet haben, ist ja ein verkappter Gottesglaube. Und wenn deutsche Ökonomen unverdrossen propagieren, dass der Sparkurs für die in Schwierigkeiten geratene Mittelmeerländer das einzige Heilmittel wäre, obwohl doch die reale Entwicklung zeigt, dass deren Bevölkerung verelendet, die Wirtschaft schwindet und die Schulden wachsen, dann hat es wohl was mit Aberglauben zu tun, nah am Irrsinn. Den nämlich definiert Albert Einstein so: “Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.” Sollte Katzenfutter, trocken oder nass, nicht munden, muss man es ohne Not kein zweites Mal probieren. Da hilft nicht mal beten.
Musiktipp
The Mighty Mighty Bosstones
The Impression That I Get
Ich haette dir nicht ein solches Vorurteil zugetraut😉 gerade als Ex-Lehrer musst Du doch ewig gehen Vorurteile ankaempfen…😉😉😉
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Wo liest du ein Vorurteil? Ich kann beim besten Willen keines entdecken.
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Nicht von ungefähr kommt ja das Bonmot, der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften sei der einzige Nobelpreis den gleichzeitig zwei Personen erhalten können, die genau das Gegenteil behaupten.
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Das ist witzig, vielen Dank für den Schmunzler.
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Als BWLerin aus Verlegenheit bin ich hier lieber still und schmunzle und nicke im Stillen.
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Das imponiert mir, liebe Mitzi.
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Obwohl auch bei uns meistens Tischgebete gesprochen wurden und mein Vater ein Witzbold ist, kannte ich den Spruch „Trocken oder nass, deo gratias“ nicht. Ich finde ihn witzig, kann aber nicht glauben, daß er sich auf Tierfutter bezieht und verstehe auch Deinen Gedankengang nicht. Wolltest Du andeuten, daß manche Leute Dosenfutter als Fleischersatz essen? Davon habe ich auch gehört, aber nie davon, daß Menschen Trockenfutter für Tiere essen. Meine Vermutung: Das Gebet bezieht sich auf Brot (trocken) und Suppe (naß).
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Ich verstehe deinen Einwand nicht. Er fußt sozusagen auf nichts, denn dass du was nicht gehört hast, ist ja kein Beweis. Überdies gefällt mir meine Vermutung besser.
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Die Wirtschaftswissenschaftler hatten wahrscheinlich, kaum warst du mit dem Essen fertig, die Idee des Jahres:
Das Katzenfutter ist ja bereits abgepackt. Wenn man die Aufkleber nur entsprechend ändert, lässt es sich auch als Leberpastete für Gourmets verkaufen …
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Nicht das ich es beweisen könnte, aber ich vermute mal, dass in fertigen „Bolognese, feinste Hackfleischsauce“ genau das gleiche drin ist wie in Katzenfutter. Anders gewürzt….aber sonst. Eigentlich könnte man das ruhig machen. Wie die übrigen Nikoläuse aus Schokolade, die an Ostern anders verpackt werden – man dürfte es nur niemanden sagen….
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Ja, witzelt ihr beiden nur. Ich bin schon 30 Jahre Vegetarier. hehe. 😉
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Es hält sich ja auch hartnäckig das Gerücht, es gebe eine gleiche Schokoladengussform für Osterhasen und Weihnachtsmänner, den sogenannten Owei-Mann, der lediglich durch Aus- und wieder Einpapierln aus Hasen Nikoläuse macht und umgekehrt.
Dabei fällt mir ein: Einer meiner besten Schulfreunde naschte früher in den Unterrichtspausen immer gerne Frolics, das sind so Knusperringlein für Hunde. Heute ist er katholischer Bischof. Ob das eine mit dem anderen zu tun hat, weiß ich aber nicht.
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Über den Frolic-Schulfreund musste ich sehr lachen. Vielen Dank für die unerwartete Bestätigung meiner durchaus polemisch gemeinten Vermutung!
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Ist übrigens wahr, ich schwör! Auch der Teil mit dem Bischof. (Manchmal glaub ich ja selbst kaum, was ich für Leute kenne.)
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Einen Zusammenhang traue ich mich da auch nicht herzustellen. Aber (und bitte keine Zusammenhänge herstellen) die Jogurthdrops von Vitakraft für Nager schmecken wirklich lecker.
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@Mitzi
Ich kenne einen Spezialisten, der die Theorie widerlegt, daß in »Bolognese, feinste Hackfleischsauce« das selbe enthalten ist wie in Katzenfutter. Meine Miezekatze Murmel hasst ihr ordinäres Katzenfutter, macht sich aber mit Schwung über die Reste von Instant- »Bolognese, feinste Hackfleischsauce« her. Qed. (BTW: Warum gibt es eigentlich kein Katzenfutter in der Geschmacksrichtung »Mäuse«?)
@Jules
Die The Mighty Mighty Bosstones sind eine echte Empfehlung. Die hab ich gleich mal auf die Liste gesetzt. Danke!
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Gerne! Freut mich.
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Ja! Reingehört… gezögert… Ska! Ja! Schön!
Ist es denn nicht tröstlich, dass noch Raum ist für eine Wissenschaft, die wie die Volkswirtschaftslehre ihr Fähnchen nach dem Wind richtet und dann glaubt, vorneweg zu gehen und allen erklären zu können, wohin in geht und anschließend, warum das der falsche Weg war. Das muss man mal hinbekommen, so einem Fach gebührt Anerkennung, auch wenn die unsichtbare Hand dann ab und an mal zur Ohrfeige ausholt. Das Gebet passt zudem ganz hervorragend, denn wer, wenn nicht eine höhrer Macht, sollte dafür sorgen, dass trotz BWL und VWL alles ein gutes Ende nimmt?
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Oh… ich sollte vielleicht vor dem ’senden‘ noch mal die Qualitätskontrolle anwerfen. Auf Wunsch reiche ich Kommas nach und wäre auch bereit, ein in gegen ein es umzutauschen. Aber der Markt richtet das bestimmt auch allein!
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