Teestübchen Humorkritik – Herr Sträter muss mal

Versehentlich sah ich am Sonntagabend den Auftritt des Komikers Torsten Sträter im sogenannten „Satiregipfel“ des ARD-Fernsehens, und zwar zappte ich mich hinzu, als Sträter eine Geschichte vorlas und mitteilte, dass er an einer Autobahnraststätte angehalten habe, denn: O-Ton Sträter: „Ich musste mal groß.“ Er habe das K-Wort nicht gesagt, tönt er vollmundig, weil die ARD-Oberen nicht gerne hätten, wenn es fallen würde. Ich hingegen wollte überhaupt nicht wissen, warum Sträter an der Raststätte angehalten hat. Wenn ich selbst auf den Parkplatz einer Raststätte gefahren bin, habe ich mich beim Anblick der anderen Fahrzeuge nie gefragt: Warum sind die alle hier? Müssen die mal, eventuell sogar groß?

Ich mochte mir auch keine Gedanken darüber machen, was Sträter betrifft, dachte mir hingegen, dass der Mann in die putzigen Fußstapfen von Ingo Appelt treten wollte, der seine peinlichen Texte stets mit der Großtat gewürzt hat, im Fernsehen „ficken“ zu sagen. Zur Strafe hat der Weltgeist dafür gesorgt, dass er immer mehr dem Schwein ähnelt, das er sprachlich schon lange verkörpert.

Sträter musste also „groß“, las eine Schlagzeile am Zeitungsstand, entwickelte eine mäßig intelligente, noch mäßiger witzige Gedankenfolge zum Thema „starke Frauen“, die er sich gewiss in der Hocke ausgedacht hatte, und schoss dann folgende Pointe ab: das alles habe er sich am Zeitungsstand stehend gedacht, obwohl er ganz dringend „mal k…. musste.“

Man möge die Aussparung entschuldigen, aber wenn ich das ganze Wort hier veröffentliche, wer macht das wieder sauber? Sträter mit seiner Zahnbürste? Gewiss nicht. Was soll das für eine Botschaft sein? Soll der Zuschauer dankbar sein dafür, dass Herr Sträter mannhaft seinen Drang unterdrückt hat, um über die Formulierung „starke Frauen“ nachzudenken? Oder soll der eingangs angekündigte Tabubruch sein Bukett über das ganze Werk legen, um gnädig zu verhüllen, dass es ganz und gar nicht geeignet war für eine Sendung, die sich „Satiregipfel“ nennt. Trotzdem bin ich Sträter dankbar. Mir war nämlich lange keine treffende Metapher für diesen flachen Gipfel eingefallen. Es ist mehr ein großer Haufen.

Leseempfehlung: Ex-Titanic-Kollege Gehard Henschel in der FAZ, Das Unflätige breitet sich aus

26 Kommentare zu “Teestübchen Humorkritik – Herr Sträter muss mal

  1. Lieber Jules,
    es wundert mich nicht, dass die Sträter und Appelts dieser Welt Sie nicht unterhalten können. Mich reißen sie auch nicht vom Hocker. Aber irgendwie sind wir wohl falsch gepolt. Oder sind gar die Hunderttausende falsch gepolt, die ein Mario Barth ins Stadion locken kann. Und der erzählt noch nicht einmal vom fi… und ka…
    Gruß Heinrich

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    • Lieber Heinrich,

      dem Massengeschmack ist nicht zu trauen, wenn Leute wie Barth das Olympiastadion füllen können. Man schaue sich nur die Filmchen an, die bei Youtube millionenfach angeschaut werden. Oder wenn Figuren wie Trump die Massen begeistern und eventuell sogar Präsident der USA werden können. Auch Erdogan ist ja gewählt und findet besonders bei den Türken in Deutschland große Zustimmung. .Man kann da schon mal an der menschlichen Rasse verzweifeln.

      Gruß,
      Jules

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    • Wissen Sie, mir fällt anbetrachts all dieser Sträters & Appelts & Böhmermanns und Konsorten, all dieser Dumpf- & Schrumpfhumorwichtel die sich als sogenannte deutsche »TV-Satiriker« gerieren, bloß jener altbekannte Spruch ein – nur gering abgewandelt:

      Im Paradies wären die Deutschen die Techniker, die Franzosen die Köche, die Italiener die Liebhaber, die Schweizer die Organisatoren, und die Briten die Humoristen.
      In der Hölle aber wären die Franzosen die Techniker, die Italiener die Organisatoren, die Schweizer die Liebhaber, die Briten die Köche, und die Deutschen die Humoristen.

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  2. Ja, auch einen großen Haufen muss man erst einmal zusammenbringen. Allerdings bedingt ein großer Maulwurflhügel noch nicht, dass daraus auch großartige Gedanken daraus hervorgehen. Meistens finden sich darin nur noch leere Gänge.

    Danke, dass Sie das Thema so (schön) auf den Punkt gebracht haben. Mir geht diese Art von Gewitztheit nämlich ebenso auf die Nerven, wie Herr Heinrich das anklingen lässt. Ich habe mich auch noch niemals gefragt, wieso andere Autofahrer an einer Raststelle Rast halten. Ich staune nur darüber, wie gewifft die Rosenberger Raststättenausgänge angelegt sind. Wer aus dem Restaurant wieder raus will muss nämlich durch den Shop durch gehen. Auch wenn wer nur im Kellerschoß die Toilette aufsuchte.

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    • Danke für Ihre Zustimmung. Es ist ja geradezu liebenswert, wie Sie hier den großen Haufen mit einem unschuldigen Maulwurfshügel gleichsetzen und im Bild bleibend noch zu treffenden Aussagen finden. In der Raststätte Rosenberg war ich noch nicht, aber iist dieser architektonische Trick singulär?

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  3. Ohne mindestens einen Tabubruch scheint es nicht mehr zu gehen. Seit das Thema Frauen von Barth besetzt ist – der hockt seit Jahren an ein und der selben Stelle, ich stelle keine Vermutungen an – reicht es nicht mehr sich über das andere Geschlecht (in beide Richtungen) lustig zu machen. Man muss schon mindestens einmal kräftig unter die Gürtellinie zielen. Wenn man da nicht treffsicher genug ist, bietet sich noch niveaulose Fäkalsprache an. Und wenn einem gar nichts mehr einfällt, was man loswerden könnte, dann bedient man sich dem Ausspruch „Satire darf alles“ und missversteht ihn, indem man behauptet Satire muss alles. Das nennt sich dann polarisieren. Und wer nicht lacht, dem unterstellt man er hätte es nicht verstanden.
    Eine sehr passende Metapher, lieber Jules.

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    • Die Regel, dass man das Publikum am sichersten einfängt, indem man Ungehörliches von sich gibt, gilt im Fernsehen schon lange. Eine holländische Urlaubsbekanntschaft erzählte mir in den Achtzigern, dass damals Reporter mit Mikros durch die Städte zogen und Passanten aufforderten: „Zegt u het maar neuken!“
      Das muss auf deutsch wohl bedeuten: „Sagen Sie doch mal v*geln!“ – Die Angesprochenen müssen damals wohl alle ziemlich schockiert gewesen sein.

      Nur: Heute reicht ein solch relativ harmloser Satz nicht mehr aus. Also müssen größere Geschäfte ran. Ob Sträter, Barth oder Böhmermann – es geht scheinbar nur noch so.

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      • Die Regel war mir bis dato unbekannt. Danke für den Kurzbericht aus Holland. Vor wenigen Jahren war ich bei einem Poetry-Slam, da erzählte ein Slammer, er habe eine Packung Toilettenpapier gekauft und dann plötzlich vor der von ihm angebeteten Frau gestanden. Zwischen dieser Gschamigkeit und Sträters Entgleisung liegen wohl Welten.
        Zum Fall Böhmermann fehlte mir lange ein Standpunkt. Einerseits finde ich sein Schmähgedicht einfach nur schlecht und niveaulos, andererseits richtet es sich gegen einen Diktator, der Menschrechte schändet und Meinungsfreiheit unterdrückt. Aber es war unnötig, der Extra3-Satire noch eins draufzusetzen. Das ist zotige Krawallkultur, von unserem Feuilleton bejubelt.

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    • Du hast der inzwischen zuschanden gerittenen Aussage von Kurt Tucholsky, Satire dürfe alles, eine gute Wendung entgegengesetzt. liebe Mitzi. In der Tat „muss“ Satire nicht alles. Böhmermanns Schähkritik musste nicht sein. Erdogan war schon getroffen durch die Extra3-Satire. Da musste Böhmermann das nicht zu übertreffen versuchen. Unter die Gürtellinie zu zielen, ist in Zeiten des Privatfernsehens fast alltäglich geworden. Da freut es immer zu erleben, dass es auch in der jüngeren Generation noch sensibel wahrgenommen wird.

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  4. Pingback: Radiohören mit Klopapier

  5. Sträter sitzt michelbemützt auf einem Stuhl, guckt wissend in die Runde, klappt ein Lesegerät auf und liest einen Text vor.
    Ich höre zu, und warte darauf, dass „etwas“ kommt.
    Da kommt aber nix.
    Sträter klappt sein Lesegerät zu.
    Godot kommt ja auch nicht.

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  6. Ich muss da mal ne lanze für den guten herrn sträter brechen…
    Evt hat er euch auf dem falschen fuss erwischt?
    Den sträter mit mario barth zu vergleichen ist ja wie äpfel mit burma zu vergleichen (ok, den hab ich von andivalent geklaut, sorry).
    Sträter führt eigentlich eine feine klinge, mit zwischendurch eingebrachtem brechstangenhumor.
    Kein vergleich zu barth, welcher witze erzählt, die sogar meinem grosspapa einen zu langen bart hatten.
    Sträter ist derzeit einer der lustigsten geschichtenerzähler im deutschsprachigen raum und ich hoffe innigst dass er seine seele nicht an die privaten verkauft, wie so viele vor ihm.
    Just my two cents…
    Grüsse fritze

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    • Humortechnisch passt der Vergleich Sträter – Bath vielleicht nicht. Allerdings habe ich im genannten Beitrag nichts von der „feinen Klinge“ aufspüren können. Was er da zum Besten gab, war schlicht Pippi-Kacka-Humor. Inzwischen gehört er ja bei Dieter Nuhrs „Satiregipfel“ quasi zum Inventar, ähnlich bei Extra3. Da ist die Gefahr, dass er seine „Seele an die Privaten verkauft“ eher gering. Seine Auftritte beim Satiregipfel sind nicht weniger problematisch. Denn es gilt das gestalttheoretische Prinzip: „Paarung wirkt auf die Partner.“

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