Trithemius
Denken Sie nur, Frau Nettesheim. Ich habe die Frau, die vom Himmel gefallen ist, wiedergesehen.
Frau Nettesheim
Ach ja?
Trithemius
Ein dreiviertel Jahr nicht, und jetzt gleich zweimal hintereinander. Am letzten Freitag löffelte ich meine Suppe, als der emsige Bildleser hereinkam. Ich musste seinen Gruß erwidern und habe deswegen nicht mitbekommen, wie die außerirdische Frau sich materialisierte. Plötzlich stand sie da, bzw. ging langsam vorbei.
Frau Nettesheim
„Materialisiert“ – Sie wird hinter ihm gewesen sein und wurde von ihm verdeckt.
Trithemius
Wie gut, dass Sie immer alles zu ernüchtern verstehen, Frau Nettesheim. „Materialisiert“ ist doch viel hübscher als „verdeckt von dem Mann, der täglich die Bildzeitung von vorne bis hinten studiert.“
Frau Nettesheim
In jedem Fall ist’s kürzer.
Trithemius
Sie blieb eine Weile am ersten Regal stehen, so dass ich sie in Ruhe betrachten konnte. Diesmal war nichts ungewöhnlich an ihrer Kleidung. Sie schaute wieder so befremdet in die Welt, und ich war erneut völlig fasziniert. Wie kommt es nur, Frau Nettesheim, dabei hatte ich mir doch längst abgewöhnt, jungen Frauen hinterherzuschauen.
Frau Nettesheim
Das dachte ich auch, aber mit den Worten eines unbekannten Automechanikers: „Man steckt nicht drin.“
Trithemius
Schön, dass Sie im Zusammenhang mit meinem Seelenleben einen Autoschrauber zitieren.
Frau Nettesheim
Sie haben doch Ihren Therapeuten selber „Seelenklempner“ genannt.
Trithemius
„Therapeut“- wie das schon klingt, als wäre ich einer, der seine Neurosen hegt und pflegt und zu ihrem Gedeihen einen Gärtner bezahlt.
Frau Nettesheim
Bei Ihnen sinds mehr Psychosen. Da braucht es schon einen Ackerbauern, der mal durchpflügt.
Trithemius
Darf ich jetzt weitererzählen, Madame?
Frau Nettesheim
Nur zu, berichten Sie!
Trithemius
Am Montag rief Filipe d’Accord an und sagte, er wolle mitgehen zum Mittagstisch. Wir trafen uns um zehn nach zwölf, gingen in den Bio-Supermarkt, löffelten einträchtig unsere Suppe und tranken noch einen Kaffee, bevor wir aufbrachen. Wer kommt uns vor der Tür entgegen? Die Frau, die vom Himmel fiel. Schaute erstaunt auf Filipe, dann auf mich und ging vorbei.
Frau Nettesheim
Wars das?
Trithemius
Nicht ganz. Ich habe mich gefragt, warum sie so erstaunt war. Am Ende hat sie gedacht, ich wäre schwul und stünde auf junge Männer.
Frau Nettesheim
Nein, aber auf junge Frauen.
Trithemius
Lassen Sie das Adjektivattribut weg, dann stimmt es. Immerhin hat meine Ärztin gesagt, ich dürfte mir ruhig wieder mehr zutrauen.
Frau Nettesheim
Er mal wieder.
Ich mag es, wie Frau Nettesheim Trithemius immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringt;-)
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Nicht, dass es nötig wäre, wie du hier nachlesen kannst
http://trithemius.de/2015/07/06/die-frau-die-vom-himmel-fiel/
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Frauen scheinen das Leben zu „verkomplizieren“;-)
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„scheinen?“, hehe.
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es soll auch Männer geben, die ein solches Talent entwickeln;-)
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Bestimmt. Die kenne ich aber nicht.
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ich die Frauen auch nur vom Hören-Sagen 😉
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Aber ich.^^
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Ich vermute, du willst Näheres nicht mitteilen?
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Och, doch, schon. Es gibt weibliche Verkomplizierer und männliche auch. Ich kenne beide Sorten.
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Womit geklärt wäre, dass Engel nicht immer jung und Alterspräsidenten manchmal so ein kleines bisschen Sehnsucht danach haben, ihrer Ataraxie zu entkommen 😉 …ich wünsch Dir eine schöne Suppenpause, lieber Jules. Warum eigentlich immer Suppe, hat Hannover keine Dentisten ? 😀
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Das hast du schön ausgedrückt, liebe Andrea. Der Biosupermarkt bietet immer nur eine Suppe an, vegetarisch natürlich. Alles andere wäre zuviel, denn ich will nicht zunehmen. Manchmal bei schönem Wetter fahre ich in die Mensa. Dort ist es aber laut und unruhig und die Angebote sind zu verlockend. Und natürlich bin ich dort mal wieder der unangefochtene Alterspräsident 😉
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Ich hoffe, Du nimmst mir den Kommi nicht übel. Ich musste einfach so schmunzeln, beim Lesen der Unterhaltung mit Frau Nettesheim. Da wird man selbst etwas übermütig.
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Überhaupt nicht, ich provoziere das ja. Außerdem: Den Dialoganteil von Frau Nettesheim schreibe ich doch selbst.
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*lachflash*…das weiß ich doch, dass Du den schreibst. Aber ob mein Kommi zu frech war, konnte ich nicht einschätzen 😉
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Guck, frechen Leuten antworte ich einfach nicht.
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😀
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Den Blick, mit dem die Frau, die vom Himmel fiel, dich und die Welt betrachtet, den hätte ich auch gern, die Fähigkeit, alles immer wieder neu zu sehen, davon überrascht oder irritiert zu sein. Der alltägliche Blick hat nämlich die seltsame Fähigkeit, einen Grauschleier mit mikoskopischer Schärfe zu vereinen.
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Wir brauchen auch den Blick, den du so schön umschrieben hast, um nämlich eine Situation blitzschnell zu erfassen, zu beurteilen und angemessen zu reagieren. Prima, wenn man zudem gelegentlich so auf die Welt schauen kann wie die vom HImmel gefallene Frau. Vermutlich ist es genau das, was mich an ihr fasziniert.
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Frau Nettesheim und dir im Gespräch zu lauschen ist immer wieder amüsant.
Ich muss natürlich vehement widersprechen, lieber Jules. Frauen verkomplizieren das Leben keineswegs. Oder besser, sie tun es sehr wohl, aber es gibt hübscher Worte dafür 😉
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Die Verallgemeinerung trifft nicht zu, da gebe ich dir Recht, liebe Mitzi, und glaube unbesehen, dass du eine Bereicherung im Leben eines Mannes bist, egal wie kompliziert es dann ist. 😉
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Wenn ich solche Kommentardialoge lese, insbesondere im Anschluss an Beobachtung von Alienfrauen im Supermarkt, die auch noch zurückschauen, … dann, ja was dann? … dann bin ich versucht, ein Experiment vorzuschlagen:
Man gebe ein kurze Begegnung vor, zum Beispiel die Begegnung im Supermarkt, und beauftrage zum Beispiel Frau Mitzi mit einer Geschichte aus Sicht der Alienfrau sowie zum Beispiel Herrn Trithemius mit seiner Version zur gleichen Szene. (Natürlich dürften beide nicht beim anderen spicken.)
Ja, also solche Visionen plagen mich manchmal. Jetzt wisst Ihr’s 😉
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Sie erweisen sich mal wieder als großer Anreger. Ihre Idee erinnert mich an die „Stilübungen“ des Pataphysikers Raymond Queneau, der eine simple Anekdote von einer Beobachtung im Autobus in 99 Varianten durch alle Stile, Dialekte und Slangs erzählt. Was Sie vorschlagen, finde ich wegen des Perspektivwechsels mindestens ebenso reizvoll. Es müsste sich irgendwie organisieren lassen, aber wie? Den Text habe ich ja schon geschrieben, und Mitzi hat ihn vermutlich gelesen.
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Antwort siehe unten 😉
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Ein schönes Experiment. Aber ich habe den Text tatsächlich schon gelesen und sozusagen gespickt. Nur in den Kopf der alienfrau hat noch niemand geschaut. 🙂
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Antwort siehe unten 😉
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Ich bin gespannt!
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Na gut. Eine Herausforderung also. Dann schlage ich folgendes vor: Ich zermartere mein Hirn nach einem Setting, das ich morgen bei mir in der Wortmischerei veröffentliche und dabei Euch beide nominiere. Es liegt dann an Euch, anzunehmen oder abzulehnen. – Ein Spiel, ein Spaß vielleicht? Für uns drei und alle anderen auch?
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Ich bin dabei.
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So. Hier ist sie also, die Einladung zum Textduell 🙂
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Gratulation! Von heute auf Morgen haben Sie ein tolles Spiel erdacht und sogleich ein kongeniales Logo gezeichnet!
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Na ja, die Zeichnung liegt schon seit vielen Jahren in der digitalen Schublade und die Stempelschrift hat mich mit paint.net gerade mal zehn Minuten gekostet. Also alles halb so wild 🙂
Allerdings würde es mich freuen, wenn das Spiel funktionierte! Bin schon sehr gespannt auf Montagmittag.
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Bei all den intellektuellen Hochstaplern, die doch nur heiße Luft verbreiten, ist es sympathisch, wenn mal einer tiefstapelt. Wie ich mich kenne, werde ich bis Sonntag prokrastinieren, freue mich aber auch drauf.
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Er mischt die Meisterin und den Meister der Worte auf. Darum, und nicht nur deswegen, heißt er Wortmischer. 😉
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Eine hübsche Interpretation, lieber Heinrich. Doch der Kollege Wortmischer ist auch ein hervorragender Autor.
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darum „nicht nur deswegen!“
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Äh, ja, also … Ich erröte ja dirket schon tomatenartig bis hinauf zum Haaransatz.
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