Langer Bericht von einer kurzen Regenfahrt

Vorab eine Entschuldigung für die falsche Kennzeichnung der Stilform in der Überschrift, denn das Tempus eines Berichts ist normalerweise Präteritum, während das im Folgenden verwendete Präsens der Reportage vorbehalten ist, aber für eine Reportage reicht mein Thema heute nicht hin, denn eigentlich will ich mir nur im galaktischen Getränkemarkt drei Flaschen Kölsch kaufen, packe mir herumstehendes Leergut in den Rucksack und sehe durchs Küchenfenster, dass es sich rundum zugezogen hat und zu tröpfeln beginnt. Ich vermute aber, dass es nicht mehr besser werden wird und steige hinab in den Hof. Mein Fahrradsattel ist schon nass.

Vor einiger Zeit hatte ein unbekannter Spender mir einen Sattelüberzug in Form und Optik eines Kuhkopfes ans Fahrrad gehängt. Er sah nach dem Überziehen aber mit seinen Hörnern und den Ohren einfach zu blöd aus, so dass ich den Kuhkopf manchmal nachlässig im Gang nahe der Hoftür aufgehängt habe, so nachlässig, dass er runterfiel. Irgendwann hat jemand den Kuhkopf-Sattelüberzieher verschwinden lassen. Aber jedesmal, wenn mein Sattel nass ist vom Regen, vermisse ich den Kuhkopf. Na, macht nichts, ich werde gewiss überall nass werden, denn als ich mein Rad auf die Straße schiebe, regnet es bereits in Strömen.

kuhkopfDie Kuh ist fort, weil ich sie blöd fand und vernachlässigt habe – Foto: Trithemius (größer: klicken)

Es ist sogenannter Aufgleitniederschlag, über den das Wetterlexikon mitteilt: „Der Wolkenaufzug beginnt meist 600 bis 1000 Kilometer vor der Kaltluftmasse. Zunächst ziehen Cirren auf. Mit Annäherung der Warmluft wächst die Vertikalausdehnung der Wolken nach unten beständig an. Aus dem so entstehenden Altostratus und der so entstehenden Nimbostratusbewölkung fällt meist großräumiger, ergiebiger Landregen.“

Die „Vertikalausdehnung der Wolken hat jetzt die Straße erreicht. Im Nu rolle ich durch eine Luft, die man saufen kann. Kilometer Regen über meinem Kopf. Bei Regen ist viel Sauerstoff in der Luft, und ich bin viel stärker als sonst. Weil es nicht kalt ist, kann ich die Fahrt genießen. Die Wittekindstraße fällt zum Lichtenbergplatz leicht ab, also muss ich nicht viel tun, um auf Tempo zu kommen. „Vals plat“ nennen die niederländischen und flämischen Radsportler solche Strecken, was ich mir mit „schiefe Ebene“ übersetze. Manchmal erkennt man vals plat erst, wenn man in Gegenrichtung fährt. Am kürzlich fertiggestellten Appartement-Neubau Ecke Dieckbornstraße muss ich abbremsen und einen weißen Kleintransporter mit polnischem Nummernschild umfahren. Offenbar holt er die polnischen Bauarbeiter ab, die noch mit dem Innenausbau beschäftigt gewesen waren.

Ich bin da, steige ab, schließe mein Rad an die Stange eines Verkehrsschilds und betrete den galaktischen Markt. Vor dem Markt sitzt ein Gemütsmensch in aller Seelenruhe im strömenden Regen auf einer Kiste und zuzzelt an einer Bierflasche. Derweil ich mein Leergut in einen leeren Kasten räume, ich habe elf leere Flaschen, und drei neue Flaschen Kölsch aus dem Regal nehme, erinnere ich mich an eine dramatische Regenfahrt in den belgischen Ardennen und nehme mir vor, den Fahrtbericht in den Tagebüchern aufzusuchen, um ihn abzutippen. Das werde ich morgen tun, will für heute nur noch kurz erzählen, dass ich völlig durchnässt bin, als ich zu Hause ankomme, aber jetzt schön im Trockenen sitze und gerade mein Kölsch genieße. Freuen wir uns auf eine Regenfahrt durch Ardennen und Eifel.

14 Kommentare zu “Langer Bericht von einer kurzen Regenfahrt

  1. Prost, lieber Jules.
    Das passt heut gerade gut. Du kehrst eben aus dem galaktischen Getränkemarkt zurück und ich aus Panama. Was uns verbindet ist, dass wir eben beide über Bier schrieben. Das Wetter nicht. Ich sitze noch bei milden Temperaturen auf dem Balkon.
    Liebe Grüße

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